Österreich droht, ein autoritäres System zu werden

Für Natascha Strobl nimmt die Alpenrepublik eine gefährliche Entwicklung

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 3 Min.

Möchte man über politische Skandale in Österreich schreiben, dann weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, selbst wenn es nur um die vergangene Woche geht. Der vergangene Monat ist schon fast nicht mehr mit menschlichen Sinnen zu erfassen. Ein kurzes Recap.

Eine Abordnung der extrem rechten FPÖ besucht die Taliban. Was wie ein schlechter Scherz klingt, ist bittere österreichische Realität. Die Abordnung bestand aus Altabgeordneten sowie einem Juwelenhändler, der kleidungsmäßig ein Cosplay eines Mörders aus besserer Gesellschaft in einem Agatha Christie-Krimi betrieb. Diese skurrile Abordnung hatte aber ein reales politisches Ziel. Ein österreichischer Rechtsextremer sitzt seit einigen Monaten in den Gefängnissen der Taliban. Sein Markenzeichen: Er reist gerne in gefährliche Länder, um zu belegen, dass es dort gar nicht gefährlich ist. Nun war Afghanistan unter den Taliban doch etwas gefährlicher als gedacht. Man bemühte sich also, diesen älteren Herren rauszuboxen und fand sogar lobende Worte für die Taliban. Immerhin hat man sich mit dem »Außenminister« persönlich getroffen.

Das hätte das Potential für einen längeren Aufreger gehabt, wäre da nicht auch die ÖVP. Ein Video von Kanzler Karl Nehammer wurde geleakt, und das hatte es in sich. Vor Funktionären (ausschließlich Männern) zog er weinselig vom Leder: Frauen arbeiten zu wenig, und er versteht nicht, wie Kinder in Österreich hungrig sein können, schließlich kann man ja zu McDonalds gehen. Ein gesundes, warmes Mittagessen in Bildunsgeinrichtungen erinnere ihn an die DDR. Hohe Lohnabschlüsse will er verhindern und Gewerkschaften und Sozialpartnerschaft sind ein Störfaktor, den es zu beseitigen gilt. Das regt in dieser Gemengelage dann sogar in Österreich auf. Die einen stießen sich am Inhalt und am Niedermachen von Frauen und Kindern, die anderen (vor allem in der eigenen Partei) stießen sich am wenig staatsmänischen Auftreten Nehammers.

Es ist nicht das erste Mal, dass Nehammer in ein Fettnäpfchen tritt. Anfang des Jahres richtete er den eigenen Leute aus, dass sie – wenn die Inflation so weiter geht – nur noch die Wahl zwischen Alkohol und Psychopharmaka haben. Die ÖVP verteidigte den jüngsten peinlichen Auftritt noch und kündigte an, Eltern mit hungrigen Kindern das Jugendamt an den Hals zu hetzen. In gewohnter Kulturkampf-Manier brüstete sich die Partei als die Stimme der schweigenden Mehrheit. In dem Video merkte Nehammer auch ganz selbstmitleidig an, dass schließlich »wir« das alles zahlen (teilzeitarbeitende Frauen, Essen für Kinder). Mit »wir« waren vor allem die anwesenden Unternehmer gemeint.

Natascha Strobl

Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Die FPÖ suchte derweil erneut nach Aufmerksamkeit und startete eine Kampagne gegen einzelne Menschen – unter anderem mich. In einer konzertierten Aktion mit rechtsxtremen bis faschistischen Nischenmedien gibt es eine Dauereinschüchterungskampagne aus Lügen, Halbwahrheiten und verdrehten Zusammenhängen. So werden Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Beobachter*innen der Szene markiert, gecancelt und für den rechtsextremen Mob zum Abschuss freigegeben. Das wäre alles Business as usual, würden wir hier nicht von der aktuell stärksten Partei in Umfragen sprechen, die – Stand heute – den nächsten Kanzler stellt.

Österreich ist an der Klippe dazu, den Weg Ungarns zu gehen: ein autoritäres System, in dem unliebsame Kritiker*innen von Staatswegen und mit Steuergeld eingeschüchtert werden. Solange bis etwas passiert. Die FPÖ zeigt sehr genau, wo sie hin will. Man sollte ihr zuhören.

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