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Streik bei Logistikfirma in Florenz: »Wir müssen gewinnen«
Der Pakistaner Shoiab Saleem beteiligt sich am Streik von Arbeitern bei einer Logistikfirma in Florenz
Wie kam es zu dem Lagerarbeiter-Streik der Basisgewerkschaft S.I. Cobas beim Auslieferer in Campi Bisenzio für die Möbelkette Mondo Convenienza?
Ich gebe nur ein Beispiel für unsere Arbeitsbedingungen: Wenn der Kunde im Umkreis von 100 Metern keinen Parkplatz hat, müssen wir eigentlich nicht ausliefern. Manchmal passiert es, dass ein Kunde im Umkreis von 600 Metern keinen Parkplatz hat. Wenn wir dann der Firma Bescheid geben, dass der Auftrag nicht erledigt werden kann, zwingt sie uns trotzdem dazu. Ich habe ein paar Freunde, die in anderen Fabriken arbeiten. Sie haben einmal mit S.I. Cobas gestreikt und über diesen Weg habe ich den Kontakt gefunden.
Wie stark ist die Unterstützung für den Arbeitskampf unter den Beschäftigten des Subunternehmens von RL2-Logistica?
Als wir zu streiken begannen, stellte uns die Firma vor die Wahl: zurück zur Arbeit oder Kündigung. Wir haben das nicht akzeptiert und wurden allesamt am 13. Juli gekündigt. Wir bekommen keine Gehälter mehr. Als wir das hörten, haben manche Panik bekommen: Viele müssen Geld nach Pakistan schicken, um ihre Familien zu unterstützen. In den Tagen darauf haben aber alle verstanden, dass wir das tun müssen. Wir müssen diesen Streik gewinnen. Wir haben auf Go Fund Me einen Account für eine Crowdfunding-Kampagne erstellt. Darüber unterstützen uns Kollegen von anderen Firmen und Menschen aus verschiedenen Ländern. Das hilft uns weiterzumachen.
Shoiab Saleem ist 26 Jahre alt und arbeitet seit 2019 für Mondo Convenienza bei dessen Subunternehmen RL2-Logistica. Ende 2016 kam er nach einer Flucht über viele Grenzen aus Pakistan nach Italien. Saleem arbeitete zunächst im Lager. Nachdem er einen Führerschein erworben hatte, fuhr er zu Montageaufträgen.
Wie gehen die Streikenden mit der Repression um?
In der Anfangsphase des Streiks haben wir die Eingänge zur Firma blockiert, wogegen die Polizei gewaltsam vorging. Eigentlich blockierten wir vor allem die Fahrzeuge des Unternehmens. Wenn wir das nicht getan hätten, hätten sie uns nicht zugehört. Die ersten zehn Tage kam die Polizei ständig. Sie hat unsere Sachen kaputt gemacht, unsere Zelte, alles. Polizisten haben uns angeschrien und auf uns eingeschlagen. Das waren sehr schwierige Tage. Was mich am meisten schmerzt, ist, dass ich mein Leben riskiert habe, um hierher zu kommen – für ein besseres Leben für meine Familie und mich. Ich musste erleben, dass dieselben üblen Sachen auch hier passieren: Italien hat zwar Gesetze, aber wenn du Geld hast und ein Boss bist, musst du dich nicht an sie halten. Die Gesetze einhalten müssen nur die Armen.
Sie sind alle Migranten, die Aufenthaltserlaubnisse benötigen. Wie wirkt sich das auf den Streik aus?
Das ist das Hauptproblem, dem wir begegnen. Weil wir alle Immigranten sind, brauchen wir feste Jobs, um unsere Aufenthaltserlaubnisse zu erneuern. Ohne Arbeitsverträge geht es nicht. Zudem können unsere Gegner für Kleinigkeiten zur Polizei gehen oder sich eine Geschichte ausdenken und uns denunzieren. Wenn wir dann einmal die Aufenthaltserlaubnis verlängern wollen, kann die Polizei immer ein Problem finden, etwa behaupten: »Du bist in Gewalttaten verwickelt!« Die Firma droht meinen Kollegen: Wenn ihr den Streik fortführt, gehen wir zur Polizei.
Wie sieht es mit Verhandlungen über bessere Arbeitsbedingungen aus?
Die Stadtverwaltung sieht das Problem, aber sie will die Auftraggeber nicht dazu zwingen, mit illegalen Aktivitäten aufzuhören. Denn sie weiß, das ist ein landesweit agierendes Unternehmen. Diese Firma macht Milliarden von Euro. Mondo Convenienza hat uns von oben herab ein Angebot gemacht, das nicht auf unsere Forderungen eingeht: Akzeptiert es oder geht – so sind sie mit uns umgesprungen. Sie glauben, dass wir müde werden und gehen werden, aber das wird nicht passieren. Wir riskieren unser Geld, unsere Zeit, unsere Arbeitsstelle und wir sind seit vier Monaten standhaft. Wir haben diskutiert und entschieden, dass wir den Streik bis zu einem Erfolg fortführen werden. Diese Haltung hilft uns, mit dieser Situation zu leben.
In Rom, Turin und Bologna gab es im Sommer ebenfalls Arbeitsniederlegungen Ihrer Kollegen, die aber nun aber ausgesetzt sind. Was ist in Campi Bisenzio anders?
Vor drei Monaten hat sich die Firma mit S.I. Cobas an einen Tisch gesetzt und es wurde eine Streikpause vereinbart. Sie haben den Arbeitern und der Gewerkschaft versprochen, die Verhandlungen im September wieder aufzunehmen. Jetzt haben wir Oktober. Wir in Campi Bisenzio haben das Angebot abgelehnt, weil wir der Sache gleich nicht getraut haben. Wir denken, dass in den kommenden Wochen auch in den anderen Städten die Arbeit wieder niedergelegt wird.
Welche Folgen hätte ein Erfolg ihres Streiks für die anderen Standorte der Spedition?
Das ist das Hauptproblem für das Unternehmen. Es besitzt etwa 30 große Lager in ganz Italien und kann die Verträge über die Konditionen der Beschäftigten nicht nur für ein einzelnes Lager ändern. Wenn sie es hier tun, müssen sie es überall tun.
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