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»Wagenknecht hat der Linken schweren Schaden zugefügt«
Die Linke-Abgeordnete Cornelia Möhring über den Antrag auf Parteiausschluss von Sahra Wagenknecht
Am Montag, einen Tag nach den Wahlen in Bayern und Hessen, haben mehr als 50 Linke-Politiker, darunter Sie, einen offenbar länger vorbereiteten Antrag auf Parteiausschluss gegen Sahra Wagenknecht vorgestellt. Warum an diesem Tag?
Wir haben tatsächlich schon länger darüber diskutiert, dass dem Beschluss des Parteivorstandes vom Sommer, dass die Zukunft der Linken eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht sein wird, auch formal Rechnung getragen werden muss. Viele Gespräche mit ihr darüber, ihre Idee einer Parteigründung zu überdenken oder ihr Bundestagsmandat zurückzugeben, sind ohne entsprechendes Ergebnis geblieben. Die beiden Landtagswahlen haben jetzt nochmals deutlich gezeigt, dass unsere Wählerinnen und Wähler stark verunsichert sind und nicht mehr wissen, was sie von der Linken erwarten können. So kann es einfach nicht weitergehen, und spätestens jetzt mussten wir handeln.
Welche sind Ihre wichtigsten Argumente für einen Parteiausschluss?
Sahra Wagenknecht hat der Linken mittlerweile außerordentlich schweren Schaden zugefügt. In letzter Zeit vor allem durch ihre Behauptung, dass es Die Linke nicht bringt und dass deshalb eine andere Partei nötig sei. Dafür verbreitet sie Fake News, beispielsweise, dass Die Linke ihren linken Markenkern verloren habe. Und sie hat inzwischen so viele unserer Positionen verlassen, dass das unserer Ansicht nach nicht mehr vereinbar ist mit einer Mitgliedschaft in der Partei. Sie fordert etwa eine restriktive Migrationspolitik, die Menschen entrechtet und in der Not im Stich lässt. Sie will Abschottung, Entzug von Geldzahlungen, redet von Schlepperbanden und Wohlstandsflüchtlingen. Sie ist zwar plakativ für soziale Gerechtigkeit, aber nicht für alle Menschen. Sie diffamiert die Klimabewegung und Minderheiten. Ich habe in letzter Zeit kein Interview mehr von Sahra Wagenknecht gelesen oder gehört, in dem sie nicht massiv gegen Positionen der Partei Die Linke schießt. Damit mit Schluss sein.
Cornelia Möhring ist seit 2009 Linke-Bundestagsabgeordnete und hat ihren Wahlkreis in Pinneberg (Schleswig-Holstein). Zwischenzeitlich war sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken. Sie gehört zu den mehr als 50 Parteimitgliedern, die bei der Landesschiedskommission Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Parteiausschluss gegen Sahra Wagenknecht gestellt haben. Zu den Antragstellern gehören Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie Vorstandsmitglieder von Bundes-, Landes- und Kreisebene.
Am Wochenende hatte der Linke-Vorstand beschlossen, dass die Mitgliedschaft in der Linken nicht vereinbar ist mit der Mitgliedschaft in dem von Wagenknecht-Unterstützern gegründeten Verein BSW – für Vernunft und Gerechtigkeit. Dieser Verein diene dem Aufbau einer neuen Partei; dessen Mitglieder werden aufgefordert, diese Bestrebungen einzustellen oder Die Linke zu verlassen sowie Linke-Mandate niederzulegen.
Hat Die Linke nicht in der Tat ein massives Problem bei der Wählerzustimmung, das nicht nur mit Wagenknecht zu tun hat?
Ja, natürlich, wir haben Defizite, die Partei muss sich dringend erneuern. Aber es gibt seit Langem eine Hängepartie – Parteibeschlüsse werden ständig unterlaufen und konterkariert, und das vor Millionenpublikum bei Lanz und Springer. Unsere Krise wird nicht dadurch beendet sein, dass Sahra nicht mehr in der Partei ist. Aber wir haben dann die Chance, mit klaren Botschaften und einer neuen Art der Zusammenarbeit durchzustarten.
Welche Erfolgsaussichten sehen Sie für den Antrag? Ein Verfahren gegen Wagenknecht ist ja schon einmal gescheitert.
Ja, aber damals auch mit der Begründung, dass der Parteivorstand keine klare Trennungslinie zu ihr gezogen habe. Das ist inzwischen geschehen. Und es ist ihr Konkurrenzprojekt einer eigenen Partei hinzugekommen. Das ist eine neue Situation, zumal kürzlich von ihrem Umfeld ein Verein gegründet wurde, der die Partei aufbauen soll und mit dem sie sehr offenkundig in Verbindung steht. Ich finde, ein Parteiordnungsverfahren ist immer das letzte Mittel in der Auseinandersetzung, aber in diesem Fall muss endlich Klarheit geschaffen werden.
Ausschlussverfahren ziehen sich meist sehr lange hin. Wieso warten Sie nicht einfach ab, bis Wagenknecht demnächst wahrscheinlich sowieso Die Linke verlässt?
Ihr Verhalten, das der Partei massiv schadet, darf nicht folgenlos bleiben. Unser Antrag ist auch ein Signal an die vielen Parteimitglieder, die völlig frustriert sind davon, dass Die Linke mit ihren guten Positionen nicht mehr durchkommt, weil sie die Schlagzeilen mit ihren Parteigründungsplänen dominiert und sie laut Positionen vertritt, die nichts mit linker Politik und Praxis zu tun haben. Und ich finde, wir sollten die Entscheidung, ob Sahra Wagenknecht noch zur Linken gehört, nicht allein ihr überlassen.
Sahra Wagenknecht hat viele Anhänger, auch in der Linken. Wie sieht das bei Ihnen in Schleswig-Holstein aus?
Unser Landesverband hat vor einem Jahr die Bundestagsfraktion aufgefordert, Sahra Wagenknecht auszuschließen. Da gibt es ein großes Aufatmen darüber, dass jetzt der Parteiausschluss beantragt wird. In der Linken gibt es nach meiner Wahrnehmung eine eindeutige Mehrheit, die die Partei erneuern will, aber nicht im Sinne von Wagenknecht.
Ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass das Ausschlussverfahren die Erzählung von Wagenknecht verstärkt, sie werde aus der Partei rausgemobbt?
Ach, das ist doch inzwischen eine alte Leier, die jeder Grundlage entbehrt. Andersherum wird ein Schuh draus. Es gab und gibt so viele Querschüsse aus der Ecke Wagenknecht, mit denen alles, was Die Linke tut, mies gemacht wird. Selbst vor der öffentlichen Beschimpfung und Verächtlichmachung demokratisch gewählter Genossinnen und Genossen schreckt sie nicht zurück. Und ihre Forderung, Die Linke dürfe nicht grüner werden als die Grünen, ist doch Nonsens. Wir sind sozialer und linker als die Grünen und wenden uns Klimapolitik mit einem ganz anderen Fokus zu, unter dem Schwerpunkt auf soziale Gerechtigkeit.
Ist mit einer Ausschlussinitiative in der Bundestagsfraktion zu rechnen? Oder ist der Fraktionsstatus wichtiger?
In der Fraktion gibt es andere Mehrheitsverhältnisse als im Parteivorstand und in Landesverbänden. Das Thema Fraktion wird vermutlich bald erledigt sein, weil davon auszugehen ist, dass sich ein konkurrierendes Projekt gründet. Ein Konkurrenzprojekt zur Linken kann natürlich nicht in derselben Fraktion im Bundestag sitzen.
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