- Politik
- Wahl in Polen
Hoffen und Bangen westlich und östlich von Warschau
Polen dürfte sich nach der Wahl auch außenpolitisch verändern. Das wird vor allem in Berlin und Kiew genau beobachtet
Es ist noch nicht endgültig, aber die Zeichen in Polen stehen auf einen politischen Wechsel – weg von nationalpopulistischer Rhetorik hin zu Europa. »Am 15. Oktober kommt Polen nach Europa zurück«, jubelte Robert Biedroń vom Linksbündnis Lewica bei der Wahlparty, das Teil der neuen Regierung in Warschau werden könnte.
Hoffnung herrscht auch im politischen Berlin, wo der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Dietmar Nietan (SPD), an ein besseres Verhältnis zum Nachbarland glaubt. »Unabhängig von der PiS, wir schätzen unsere polnischen Nachbarn, wir wollen mit ihnen viel bewegen und das werden die Menschen in Polen sehr genau beobachten, wie Deutschland jetzt weiter mit Polen umgeht«, sagte Nietan am Tag nach der Wahl.
Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts, Agnieszka Łada-Konefał. Sollte die heutige Opposition mit Donald Tusk die künftige Regierung stellen, würden sich sicherlich Rhetorik und Atmosphäre ändern, sagte Łada-Konefał am Montag der Deutschen Presse-Agentur. »Man wird kooperationsbereiter sein – im deutsch-polnischen Verhältnis wie auch in der EU.« Gleichzeitig warnte Łada-Konefal vor der Erwartung, dass sich in der polnischen Politik sofort alles ändere.
Das Verhältnis zwischen Berlin und Warschau hatte einen Tiefpunkt erreicht, nachdem die nationalkonservative bisherige Regierungspartei PiS im vergangenen Oktober von Deutschland mehr als 1,3 Billionen Euro an Weltkriegsreparationen gefordert hatte. Auch im Wahlkampf bemühte die PiS immer wieder antideutsche Rhetorik, um Donald Tusk zu verunglimpfen. So warfen ihm die Populisten vor, nur Befehle aus Berlin und Brüssel auszuführen.
Feindliche Rhetorik gab es im Wahlkampf auch in Richtung der Ukraine. Insbesondere die Rechtsaußenpartei Konfederacja versuchte mit der Streichung der Mittel für ukrainische Geflüchtete im Land zu punkten. Belastet wurde das Verhältnis zwischen Kiew und seinem treuesten Verbündeten in den vergangenen Monaten durch Debatten über ukrainische Undankbarkeit für Polens Unterstützung, den Transit (oder besser gesagt den Nichttransit) ukrainischen Getreides und das Massaker an polnischen Zivilisten durch ukrainische Nazikollaborateure im Zweiten Weltkrieg.
Einen Wahlsieg der PiS dürfte man in Kiew nicht gerne sehen, insbesondere da die Partei für eine Regierung die Konfederacja brauchen würde. Sollte die rechte Koalition doch noch zustande kommen, könnten die Militärhilfen für die Ukraine in Gefahr geraten, erklärt der Politikwissenschaftler Petro Oleschtschuk gegenüber der Nachrichtenseite Focus. Er befürchtet, dass Polens ambitionierte Pläne, eine gigantische Armee aufzubauen, in jedem Fall zu einer Kürzung der Waffenhilfe für Kiew und seinen Kampf gegen Russlands Invasion führen. Eine Regierung unter Donald Tusk sei der wünschenswerteste Ausgang der Wahl für die Ukraine, so Oleschtschuk.
An eine Normalisierung der Beziehungen der beiden Nachbarstaaten glaubt auch der Berater des Nationen Instituts für strategische Forschungen, Iwan Us. Dem Fernsehsender »Kanal 24« erklärte er, dass sich das Verhältnis verbessern werde. Der Streit um die Geschichte und das Getreide waren laut Us lediglich Wahlkampfmanöver. Und schließlich habe man den gemeinsamen Feind Russland. Weniger euphorisch analysiert Daniel Szeligowski, Koordinator für Osteuropa am Polnischen Institut für internationale Angelegenheiten, die Zeit nach der Wahl. So eng wie zu Beginn des russischen Überfalls würden die Beziehungen nicht mehr werden. Polen werde sich eher wie Deutschland verhalten, sagte er dem Portal »Liga«.
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