Asylpolitik: Brandenburg geht an die Grenze

Linksfraktion protestiert gegen geplante Maßnahme, der CDU ist es nicht lange genug

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Die oppositionelle Linksfraktion im brandenburgischen Landtag hat bekräftigt, dass sie stationäre Kontrollen an der polnischen Grenze ablehnt. Fraktionschef Sebastian Walter schlägt den Koalitonsparteien SPD, CDU und Grüne einen »Pakt für Integration« vor. Er bedauere sehr, »dass Innenministerin Nancy Faeser nun doch eingeknickt ist«, sagte Walter am Dienstag. Damit spielte er auf die Ankündigung der SPD-Bundesinnenministerin an, bei der Europäischen Union stationäre Grenzkontrollen zu beantragen mit dem Ziel, die illegale Migration in Deutschland zumindest zu verringern. Aus Walters Sicht wird damit nur »sinnlos Geld rausgeschmissen«. Die CDU, die sich schon seit längerer Zeit vehement für solche Kontrollen eingesetzt hatte, habe einen »Pyrrhussieg« errungen, schätzte Walter ein. »Auf diese Weise wird kein Schlepper gestoppt. Die Menschen werden sich eben andere Wege suchen.«

Bei den Flüchtlingen handele es sich um Menschen, »die bei uns ein sicheres Leben führen wollen«, unterstrich der Linke-Fraktionschef. Damit das gelingen könne, schlage er den Koalitionsparteien SPD, CDU und Grüne einen »Pakt für Integration« vor. Als erster Schritt müssten »alle Arbeitsverbote fallen«. In Brandenburg gebe es inzwischen rund 25 000 freie Stellen. Doch nicht einmal ein zweimonatiges unbezahltes Praktikum könne von Asylbewerbern problemlos angetreten werden. Walter schilderte den Fall von zwei Georgiern, die bei einem Unternehmen der Stadt- und Landschaftsgestaltung ein Praktikum beginnen wollten. Das mussten sie beantragen. Bis es ihnen genehmigt wurde, seien zehn Monate vergangen.

Vor diesem Hintergrund sei es nicht mehr haltbar, dass einzelne Sachbearbeiter darüber entscheiden, »ob eine Arbeit aufgenommen werden darf oder nicht«. Ihm schwebe beispielsweise die Möglichkeit eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres für Migranten vor, sagte Walter. Dabei könnten sie Kenntnisse für eine künftige Tätigkeit erwerben. Das Wichtigste aber wären mehr Sprachkurse. »Hier wäre das Geld besser angelegt als bei den stationären
Kontrollen.« Einer Arbeitspflicht für Geflüchtete verschloss sich Walter: Das wäre ein Schritt auf dem Weg zu ihrer Kriminalisierung. »Ich bin sicher, dass Unternehmerverbände und Gewerkschaften mich dabei unterstützen.«

Skeptisch gegenüber Grenzkontrollen zeigte sich am Dienstag auch Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. »Die Frage bleibt, ob der Aufwand gerechtfertigt ist«, sagte er und sprach von einem »Nebenschauplatz« und von »falschen Ressourcen am falschen Platz«. Vielmehr gelte es, die Kommunen finanziell besser auszustatten, um ihnen die Unterbringung der Flüchtlinge zu erleichtern. Nötig seien Kita-Plätze und Schulen. Für »Show-Debatten« oder die Abschaffung des Asylrechts »stehen wir nicht zur Verfügung«.

Dagegen begrüßte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Ludwig Scheetz die Möglichkeit der stationären Kontrollen an den Grenzübergängen. Dies könne aber nur ein Baustein, eine »sinnvolle Ergänzung« sein. Denn es liege auf der Hand, dass Schlepper das mitbekommen und sich dann andere Wege suchen. Handlungsdruck bestehe, weil Brandenburg bei der Länge der Asylverfahren und beim Abschieben »Schlusslicht« in Deutschland sei. Durchschnittlich 38 Monate dauere die Bearbeitung von Asylanträgen in Brandenburg, in Rheinland-Pfalz beispielsweise seien es nur sechs Monate. Den Zahlen zufolge »lief es unter der rot-roten Landesregierung bei Abschiebungen besser als heute«. Hier sei »noch Luft nach oben«.

Von einer »inhaltlich falschen Bewertung« durch die Linksfraktion sprach CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Wie die Bilanz stationärer Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze beweise, seien diese Kontrollen sehr effektiv und hätten dort zu »mehreren Tausend« Rückführungen von Geflüchteten nach Österreich geführt. Die Österreicher hätten sich dabei als »sehr kooperativ« erwiesen. Redmann geht davon aus, dass sich die polnischen Behörden ähnlich verhalten würden. Das zumindest habe man ihm versichert. Leider habe die Bundesinnenministerin die Kontrollen nach Artikel 25 Schengener Kodex angemeldet, der maximal zwei Monate lang zur Wiedereinführung von Korntrollen an den EU-Binnengrenzen berechtige, bedauerte Redmann. Darüber sei er verwundert. Damit sei er nicht zufrieden. In Bayern sei der Artikel 28 gewählt worden, der sechs Monate lang Kontrollen erlaube. Die CDU werde das Sammeln von Unterschriften für Grenzkontrollen erst stoppen, wenn Artikel 28 Anwendung finde.

Über eine Verdummung der Öffentlichkeit schimpfte AfD-Fraktionschef Christoph Berndt. Die angekündigten »Kontrollen an den Hauptstraßen« wären völlig wirkungslos, erklärte er. Vielmehr müsse es eine lückenlose Sicherung der Grenze geben wie zwischen Polen und Belarus und zwischen Ungarn und Serbien. »Wenn es gar nicht anders geht, mit einem Stacheldrahtzaun.«

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