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Boliviens giftiges Gold
Der Soziologe Oscar Campanini über die Konsequenzen des Bergbaus für die Umwelt und die Menschen
Im südamerikanischen Amazonasgebiet ist das Goldfieber ausgebrochen. Sie sind in diesen Tagen in Europa und auch in Berlin unterwegs, um vor den negativen Folgen dieses »giftigen Goldes« zu warnen. Warum nimmt der Goldabbau in Bolivien und anderen Staaten am Amazonas zu?
Die weltweiten Preise für Gold sind als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie und den Krieg in der Ukraine angestiegen, denn in solchen Krisen flüchtet das Finanzkapital in Gold. Diese globale Nachfrage befriedigt im Amazonas nicht die große Bergbauindustrie, sondern der sogenannte kleine handwerkliche Bergbau, bei dem in Ländern wie Brasilien und Peru, Bolivien und Kolumbien entlang der Flüsse nach dem Edelmetall gegraben wird und der im gesamten Amazonasgebiet erschreckend zunimmt. Diese Form des Bergbaus, die in Bolivien vor allem im Norden der Departamentos La Paz und Beni zu finden ist, hat einschneidende Folgen.
Welche Auswirkungen des Goldschürfens am Amazonas haben Sie und das CEDIB im Amazonasgebiet dokumentiert und erforscht?
Goldgräber*innen suchen in den Flüssen, an den Flussstränden oder an den Quellen nach Gold, und die Folgen davon sind vielfältig: Der Abbau kann den Flusslauf verändern, was zu Überschwemmungen führt. Außerdem ist die Abholzung des Waldes beträchtlich, der Bergbau verschmutzt das Wasser, die Erde und die Luft. Besonders schlimm sind die Folgen des Einsatzes von Quecksilber, mit dem das Gold vom Gestein getrennt wird. Quecksilber ist ein flüssiges und hochgiftiges Schwermetall, das sich im Amazonas in den Fischen, in den Vögeln und auch in den Menschen anreichert. Studien haben ergeben, dass Quecksilber das Nervensystem schwer schädigt und weitere schwere Langzeitfolgen hat. Wegen des Goldrausches ist Bolivien inzwischen einer der größten Importeure von Quecksilber weltweit und eine Drehscheibe für den Schmuggel des Schwermetalls in die Nachbarländer Brasilien und Peru.
Der Goldbergbau verursacht aber nicht nur Vergiftungen und Umweltzerstörungen, sondern bringt auch gesellschaftliche Probleme wie Kriminalität und Gewalt mit sich. Wie ist die Lage im Amazonas?
Gold bietet die Möglichkeit, sehr schnell an Geld zu kommen. Der Preis ist derzeit hoch und man kann das Metall relativ einfach verkaufen. Das macht die Goldsuche für viele Menschen attraktiv, für Männer und Frauen, aber auch für Jugendliche und sogar Kinder – und sie sind als Arbeiter*innen beim Abbau als erste den Vergiftungen durch Quecksilber ausgesetzt. Gleichzeitig kommt es in den abgelegenen Bergbauzentren im Amazonas zu besorgniserregenden Verbrechen wie Geldwäsche und Drogenhandel, zu Waffen- und Menschenhandel, in Bolivien auch zum erwähnten Schmuggel von Quecksilber.
Im Amazonasgebiet leben zahlreiche indigene Bevölkerungen. Wie sind diese vom Goldbergbau betroffen?
In manchen Fällen arbeiten Indigene im Goldabbau als Arbeiter*innen mit. Häufig bleibt indigenen Bevölkerungen im Amazonas aber auch keine andere Wahl, weil die nationale Politik den Bergbau fördert und gleichzeitig die Klimaveränderungen und die Umweltzerstörungen ihre Haupteinnahmequelle vernichten, den Anbau von Paranüssen. Die meisten indigenen Völker leben nicht in der Nähe des Bergbaus, leiden aber unter dem Quecksilber im Fisch. Die Ese Eja zum Beispiel leben entlang des Flusses Beni im Norden Boliviens, sie leben vom Fang und Verkauf der Fische. Die Vergiftung der Fische schadet also nicht nur ihrer Gesundheit, sondern beeinträchtigt auch ihr Leben, ihre Kultur und ihre Zukunft.
Wie reagieren die Regierungen von Bolivien und anderen Ländern auf die Umweltzerstörungen und auf den illegalen Bergbau?
In Bolivien gilt der Goldabbau nur in den streng geschützten Gebieten der Naturparks als illegal, grundsätzlich gibt es nur wenige Vorschriften und wenige Vorschriften. Eine Besonderheit in Bolivien sind zudem die Kooperativen: Bei diesen Bergbaugenossenschaften sind alle Arbeitenden gleichzeitig Eigentümer*innen des Unternehmens. Diese mehr als 1500 Genossenschaften in Bolivien haben großen gesellschaftlichen Einfluss, im vergangenen Jahr zum Beispiel wurden mehr als 99 Prozent des Goldes von Kooperativen gewonnen – und Gold war im Jahr 2022 mit drei Milliarden Dollar das größte Exportgut Boliviens, noch vor dem Erdgas. Mit ihrer politischen Macht und der Möglichkeit, eine große Zahl an Bergarbeiter*innen auf Demonstrationen zu mobilisieren, haben die Genossenschaften im Laufe der Jahre zahlreiche politische und wirtschaftliche Vorteile wie niedrige Abgaben an den Staat und schwache Umweltvorschriften durchgesetzt.
Welche Initiativen und guten Beispiele gibt es denn, um den illegalen Goldabbau einzudämmen sowie Menschen, Tiere und Natur besser zu schützen?
Oscar Campanini ist bolivianischer Soziologe und forscht zu den Themen Wasser, Abwasserentsorgung, Bergbau, Extraktivismus, natürliche Ressourcen, Menschen- und Umweltrechte. Derzeit ist er Direktor des Dokumentations- und Informationszentrums Bolivien (Centro de Documentación e Información Bolivia, CEDIB) in Cochabamba.
Es gibt das Konzept eines nachhaltigen Bergbaus und andere Aktivitäten, um die Zerstörung zu minimieren oder die Kinderarbeit zu bekämpfen. Am Ende sind aber viele dieser Initiativen nur so lange lebensfähig, wie sie eine erhebliche Unterstützung durch die internationale Zusammenarbeit erhalten. Klar ist: Für den Goldabbau sind harte Gesetze und strenge Kontrollen notwendig, die schlimmen Folgen müssen jedoch auch auf der Nachfrageseite bekämpft werden. Solange es beispielsweise in Europa eine hohe Nachfrage nach Gold gibt, werden Probleme wie Vergiftungen, Ausbeutung und Umweltzerstörungen weiter bestehen. Das Besondere an Gold ist dabei, dass es nicht nur der Anlage dient und in Elektronikprodukten verwendet wird, sondern auch als Schmuck. Dieser Gebrauch zur Zierde muss aufhören, das ist genauso wie bei Diamanten oder Elfenbein eine Entscheidung der Menschlichkeit.
Goldbergbau im bolivianischen Amazonasgebiet und die Rolle Europas. Veranstaltung mit Oscar Campanini, 19. Oktober, 19-21 Uhr, REFUGIO Berlin, Lenaustraße 3-4, 12047 Berlin
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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