ZDF-Serie »Aufgestaut«: Klimakleber in Serie

In sechs Folgen inszeniert »Aufgestaut« sehr bemüht, aber nur mäßig erfolgreich die Straßenblockaden der Letzten Generation

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
So sieht es aus, wenn bürgerliches Fernsehen eine Serie über Aktivist*innen und ihre Anliegen macht.
So sieht es aus, wenn bürgerliches Fernsehen eine Serie über Aktivist*innen und ihre Anliegen macht.

Kaum etwas wird so kontrovers diskutiert wie die Blockade-Aktionen der klimaaktivistischen Gruppe Letzte Generation. Die Klimakleber, wie sie etwas unbeholfen umgangssprachlich genannt werden, sind nun auch erstmals Gegenstand einer Fernsehserie. Die ZDF-neo-Produktion »Aufgestaut«, eine Instant-Fiction-Serie, so der offizielle Titel des Formats, umfasst gerade einmal sechs Folgen von jeweils gut zehn Minuten Länge.

Nach eigenen Angaben will die Serie »die Blickwinkel weiten« und zeigen, wie sich der Protest »auf unsere Diskussionskultur und unser gesellschaftliches Zusammenleben auswirkt«. Das klingt vorhersehbar, ist aber ein hoher Anspruch, dem die Serie leider nicht wirklich gerecht wird.

»Aufgestaut« spielt irgendwo in einer biederen deutschen Stadtlandschaft an einer nicht besonders großen Straßenkreuzung, die von Klima-Aktivist*innen besetzt wird, indem sie sich mit ihren Handflächen auf die Straße kleben. Die Gruppe besteht aus mehreren zumeist jugendlichen Personen, ein Aktivist steht daneben und filmt. Wie reagieren die Autofahrer, die Passanten, wer ist betroffen von der Blockade, und was macht die Polizei?

»Aufgestaut« spielt das mittlerweile zur Routine gewordene Drama einer solchen Blockade durch, wie sie im vergangenen Jahr mehrere Hunderte Male von München bis Bremen stattgefunden hat. Die Serie erzählt das sowohl aus der Perspektive von Aktivist*innen als auch aus der Sicht von Menschen, die von der Blockade betroffen sind.

Neben dem Frischling Finn (Adrian Grünwald), der das erste Mal dabei und ziemlich nervös ist, sitzt Lena (Valerie Stoll). Der selbstbewusste Anatol (Valentino Dalle Mura) hat immer einen coolen Spruch auf Lager. Ihnen gegenüber stehen die geplagten Autofahrer, allen voran ein reicher, widerlicher Schnösel im Porsche (Wayne Carpendale), aber auch der zeitlich unter Druck stehende Paketfahrer Lew (Nicolas Garin) und die panisch verzweifelte Konzertcellistin Ava (Nadja Sabersky), die zu einem Vorspiel muss und nicht zu spät kommen darf.

Der Versuch, einen repräsentativen Durchschnitt der bundesrepublikanischen Gesellschaft an dieser Straßenkreuzung auftreten zu lassen, gerät etwas zu bildungsbürgerlich. Der Blockade-Aktivist Finn trifft dann auch noch ausgerechnet auf seinen Opa, der passenderweise Anwalt ist, sodass die beiden gleich juristisch über das Geschehen fachsimpeln können.

»Aufgestaut« wirkt sehr konstruiert und versucht objektiv sowohl das Anliegen der Klima-Aktivist*innen ernst zu nehmen als auch den Frust und die Wut der mit der Blockade konfrontierten Bürger*innen aufzuarbeiten. Nur wirken die Blockierer*innen stets genauso hilflos und borniert, wie sich der bundesdeutsche Mainstream das vorstellt.

Finn ist dann auch noch in Lena verknallt, als könnten zwei junge Menschen nicht eine halbe Stunde nebeneinandersitzen, ohne dass einer von beiden mit heteronormativen romantischen Projektionen um die Ecke kommt. Die herbeigerufenen Polizeibeamten sind die Hilflosigkeit in Person und am Ende sogar noch mit den Aktivist*innen solidarisch, was schlicht unrealistisch wirkt. Die mitunter entgrenzte Gewalt gegen Klima-Aktivist*innen, wie sie mittlerweile zum Alltag gehört und die jedem bekannt ist, der schon einmal eine solche Blockade miterlebt oder Videos davon gesehen hat, gibt es hier nicht.

Weder wenden Polizisten Schmerzgriffe an, noch prügeln oder treten Autofahrer auf Aktivist*innen ein. Ganz lieb und vorsichtig, wenn auch genervt, werden die Blockierer*innen weggehoben. Warum dieses angeblich der sozialen Realität verpflichtete Serienformat die Gewalt so radikal ausblendet, bleibt unverständlich, zumal die massenhaften Bilder von Gewalt den diskursiven Resonanzraum der Klimabewegung derzeit fortwährend fluten und eigentlich einer Aufarbeitung bedürfen.

In »Aufgestaut« wird vielmehr der Eindruck erweckt, als wäre die Straßenecke der Ort, an dem ein gesellschaftspolitischer Austausch stattfindet. Fast wie im Theaterstück hat jeder mal seinen Monolog, kann sich beschweren, moralisch fordern oder einfach schimpfen. Wer schon erlebt hat, mit welcher Dynamik und Aggression normalerweise am Rande solcher Blockaden von Passanten sexistische und rassistische Beleidigungen im Stakkato abgegeben werden, wie zugehauen wird, um unter den Protestierenden und möglichen Sympathisant*innen ein Klima der Angst zu erzeugen, und wie die Polizei das mit meist völlig unnötigen Schmerzgriffen krönt, kann sich über »Aufgestaut« nur wundern.

Dennoch sollte man der Serie zugutehalten, dass sie den Versuch unternimmt, den Klima-Aktivismus nicht platt zu verunglimpfen, und ihm zumindest eine moralisch-ethische Dimension zuweist. Dennoch steckt in diesem Thema definitiv mehr Potenzial, um »die Blickwinkel zu weiten«.

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