Jüdische Sportler zur NS-Zeit: Vom Hochleistungssport ins Exil

Eine Freiluftausstellung in Potsdam erinnert an jüdische Sportler und ihre Verfolgung

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
»Bourgeoise Hausfrau mit Schwung«: Die Leichtathletin Martha Jacob
»Bourgeoise Hausfrau mit Schwung«: Die Leichtathletin Martha Jacob

»Juden haben wieder Angst vor Pogromen, das Wissen um ihre Verletzlichkeit ist da.« Der stellvertretende Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums Potsdam Werner Treß stellte aktuelle Bezüge her, als er die Ausstellung »Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933« vorstellte.

Martha Jacob war 1929 Deutsche Meisterin im Speerwurf und Gymnastiklehrerin. Nach 1933 ging sie zunächst ins Exil nach Südafrika und dann in die USA. Ihre Tochter Hazel Shore war bei der Ausstellungseröffnung in Potsdam dabei. Sie habe ihre Mutter als »bourgeoise Hausfrau« kennengelernt – nichts habe sie aus ihrem Mund von ihrer Karriere als erfolgreiche Sportlerin des Deutschen Reiches erfahren, sagte sie. »Sie sprach nie über ihre Vergangenheit.« Als sie
als Tochter einmal in alte Fotoalben schaute, habe ihr das die Augen geöffnet. »Ich muss ihre Geschichte erzählen, das Buchmanuskript ist fertig.«

Die lebensgroße Abbildung von Martha Jacob ist eine von 15 großformatigen skulpturalen Präsentationen, die seit einigen Tagen auf dem Alten Markt Potsdams zu sehen sind. Es handelt sich ausnahmslos um Sportlerinnen und Sportler aus »grauer Vorzeit«, mal in sportlicher Aktion, mal als Porträt abfotografiert, so wie das vor 100 Jahren in Deutschland üblich war.

Die Athleten waren zu ihrer Zeit landesweit bekannt, weil sie Deutschland erfolgreich bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften vertreten hatten. Allerdings dankte ihr Vaterland es ihnen nicht. Weil sie Juden waren, hatten sie nach 1933 im deutschen Sport nichts mehr zu suchen, sie wurden ausgestoßen. Und schließlich teilten sie das Schicksal ihrer jüdischen Mitbürger: Sie wurden entrechtet, ins Exil getrieben oder ermordet.

Die jahrtausendealte Erfahrung »zwischen den Zähnen der ›Wirtsvölker‹« (Ernst Bloch) vermittelte den Jüdinnen und Juden immer auch einen Hang zur Selbstverteidigung und zur Leibesertüchtigung, sagte Treß bei der Einweihung. Ringkampf, Boxen, Fechten, frühe Formen des Judo – eben Kampfsport – seien bevorzugte Sportarten für Juden gewesen. Die Vereinigung jüdischer Frontsoldaten hieß denn auch nicht von ungefähr »Schild«. Die damals entwickelte Kampfsportart Krav Maga sei heute Teil der deutschen Polizistenausbildung, denn sie ist »straßentauglich«, wie Treß sagt. Und einer der in der Wanderausstellung ausgestellten Sportler ist Ralph Klein, der nach dem Krieg bis 1983 die deutsche Basketball-Nationalmannschaft betreute.

Davor aber lag die NS-Zeit mit ihren unsagbaren Schrecken für Millionen Juden. Auch die jüdischen Sportler waren davor nicht geschützt, all ihren Erfolgen für Deutschland zum Trotz. Den Nazis waren »Muskeljuden« ohnehin ein besonderer Dorn im Auge, weil körperlich gestählte Juden ihre eugenischen und antisemitischen Thesen widerlegten.

Kurator Benno Bahro steuerte die Erkenntnis bei, dass jüdische Sportler oft zu einem Zeitpunkt aus den Vereinen gedrängt wurden, als es die neue Nazi-Regierung noch gar nicht gefordert hatte. »Wenn ihnen danach die Flucht nicht gelungen wäre, dann wären sie im KZ gestorben.« Einige der Sportler, an die nun künstlerisch erinnert wird, wurden in Konzentrationslagern ermordet. Das Problem bei der Erarbeitung der Ausstellung habe unter anderem darin bestanden, dass oft kein geeignetes Bildmaterial vorhanden gewesen sei.

Die stellvertretende Landtagspräsidentin Barbara Richstein (CDU) sagte bei der Eröffnung, die jüdischen Sportler seien Deutsche gewesen – »und sie verstanden sich auch als solche.« Sie nannte die Hochspringerin Gretel Bergmann, die 1933 aus dem nationalen Leichtathletikverband ausgestoßen worden war. Richstein erinnerte an die mehrfache deutsche Tennismeisterin Nelli Neppach, die nach 1933 gezwungen wurde, einem jüdischen Sportklub beizutreten. An den Olympischen Spielen durfte sie mit der Begründung nicht teilnehmen, sie gehöre als Mitglied eines jüdischen Sportklubs ja »nicht dem Leichtathletikverband an.«

Richstein hält es für »beschämend, wie viele von ihnen heute unbekannt sind«. Ihr zufolge sollten diese Sportlerinnen und Sportler dauerhaft geehrt werden – auch auf Straßenschildern. »Da ist viel nachzuholen.« Dass diese Ausstellung auf dem Alten Markt in Potsdam aufgebaut sei, erfülle sie mit Genugtuung. Viele Potsdamer und ihre Besucher kämen dort vorbei – nicht zuletzt die Schulklassen, die sich zur Beobachtung einer Plenarsitzung im Landtag auf den Weg nach Potsdam machen.

Der Geschäftsführer der Kulturstiftung des Deutschen Fußball-Bundes Oliver Tietz machte darauf aufmerksam, dass jüdische Sportvereine in Deutschland angesichts der aktuellen Situation schon wieder Einschränkungen erfahren oder ganz mit dem Training aufhören. »Das ist eine Niederlage für uns alle.« Er rief dazu auf, »klare Kante« gegen israelfeindlichen Antisemitismus zu zeigen. Sportstätten würden zu den wenigen Orten gehören, an denen Christen, Juden und Muslime sich begegnen. »Sport ist also mehr als nur ein privates Vergnügen.«

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