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Lutz Riemann ist als Oberleutnant Zimmermann unsterblich
In der DDR sozialisierte Bundesbürger kennen ihn als Kommissar im »Polizeiruf 110«
Die Dritten Programme sichern ihm Unsterblichkeit: Genosse Oberleutnant Zimmermann ermittelt noch immer im »Polizeiruf 110«. Und er tut dies in seiner ruhigen, unaufgeregten Art.
Norddeutschland (das damals noch nicht so hieß) quillt Lutz Riemann aus jeder Pore. Ein Trumm von einem Mann, dem man ansieht, dass er mal auf der Wolgaster Peenewerft als Schiffbauer Bleche gebogen und Nieten in Bootskörper gehauen hat. Dort entdeckte man ihn (oder er sich selbst). Es folgten Schauspielstudium in Berlin und Theater in Thüringen, schließlich Defa und Deutscher Fernsehfunk.
Wer so aussah, wie er, musste natürlich auch Ernst Thälmann spielen. Es lag allerdings nicht an ihm, dass diese Produktionen nicht annähernd die Resonanz hatten wie die beiden Maetzig-Filme in den 50er Jahren.
1980 drehte er seinen ersten »Polizeiruf«, dem Dutzende folgten. Nach der »Wende« kaperte der Westen die Serie, nicht aber das Personal. Er kehrte Berlin den Rücken und in seine norddeutsche Heimat zurück, baute sich am Rande von Stralsund ein kleines Reihenhäuschen, segelte mit seinem Zeesboot, das er auf Vordermann gebracht hatte, gelegentlich auch mit Egon Bahr, und angelte Heringe, die es damals noch gab.
Als Freier arbeitete er für den NDR; aber er war auch – und daher rührte unsere Bekanntschaft – mit seinem Fernsehkollegen Michael Schmidt publizistisch aktiv. Sie ermittelten zu einem Schiffsunglück 1999, bei dem drei Sassnitzer Fischer ihr Leben verloren hatten. Alle Indizien deuteten darauf hin, dass das Boot nächtens bei einem Nato-Manöver vor Bornholm unter eine Schlepptrosse gekommen und versenkt worden war. Doch die Beteiligten bestritten jede Verantwortung und schoben diese ausschließlich den Fischern zu.
»Der Fall BELUGA« (Das Neue Berlin) beschäftigte am Ende sogar den Bundestag. Obgleich die Akten geschlossen wurden, gehen die Wogen in Sassnitz noch immer hoch. Vor 14 Tagen kamen wieder sehr viele Sassnitzer im Rathaus zusammen, um sich von Michael Schmidt den aktuellen Stand der letzten Ermittlungen anzuhören. Sein Ko-Autor konnte ihn nicht begleiten, er lag darnieder. Ende des Monats, so hatte er Michael Schmidt wissen lassen, würden die Ärzte ihm sagen, ob er noch vier Jahre oder doch nur noch vier Monate zu leben habe. So ernst also stand es um ihn.
Es sollten ihm nur wenige Tage bleiben: Am Montag, dem 23. Oktober, ist Lutz Riemann gegen 15 Uhr in einem Stralsunder Krankenhaus verstorben. Mit 82 Jahren. Dank des »Polizeirufs 110« aber lebt er weiter. Das mindert ein wenig den Schmerz.
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