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Letzte Generation: Polizei behindert Klimaprotest in Berlin
Letzte Generation wehrt sich gegen den Vorwurf der Gefährdung jüdischen Schutzes. Und lädt zu einer großen Massenbesetzung der Straße des 17. Juni ein
Es wirkt ein bisschen wie »Räuber und Gendarm«: Am Donnerstagmorgen patrouillieren Polizist*innen rund um den Großen Stern in Berlin, in allen abzweigenden Straßen stehen Polizeiwagen. Die Beamt*innen wollen eine Protestaktion unterbinden. Die Aktivist*innen, die sie suchen, verstecken sich anfangs noch im Tiergarten, doch nach rund einer Stunde hat es einige von ihnen erwischt: Sie werden erst einmal auf dem Bürgersteig festgehalten.
Damit hat die Berliner Polizei einen größeren Farbprotest verhindert – doch zwei weitere Stunden später landet doch noch etwas Farbe auf der Straße, im für die Letzte Generation charakteristischen Orangerot, das die darüberfahrenden Autos anschließend auf der Fahrbahn verteilen. Diese Aktionsform soll Sichtbarkeit schaffen. »Wir markieren öffentliche Orte, historische Wahrzeichen, die wir mit gesellschaftlichen Werten und Gemeinschaft verbinden«, sagt Letzte-Generation-Sprecher Max Wallstein zu »nd«. Denn all dies sei durch die Klimakrise bedroht.
Zum Wochenbeginn gab es in Berlin laut Polizei bereits sieben Straßenblockaden der Klimaprotestgruppe, an denen mindestens 40 Demonstrant*innen beteiligt waren. Besonders betroffen war die Stadtautobahn A100. Dort waren am Dienstagmorgen nach Angaben der Polizei 50 bis 60 Menschen an einer Blockade beteiligt, rund 30 hätten sich an der Fahrbahn festgeklebt und drei Personen zusätzlich an beziehungsweise unter einem Auto. Die Polizei sei mit rund 200 Einsatzkräften unterwegs gewesen, um die Blockaden möglichst schnell aufzulösen.
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, sieht das – angesichts des derzeit zunehmenden Antisemitismus und des gewachsenen Schutzbedürfnisses jüdischer Einrichtung – als Gefahr für die Sicherheit von Jüd*innen. Polizist*innen, die Straßenblockaden auflösten, fehlten womöglich zur Bewachung von Synagogen und anderen Einrichtungen. »Aktionen, die viele Polizeikräfte binden, sind jetzt unverantwortlich«, sagte Beck am Montag und appellierte an die Letzte Generation, auf ihre Proteste zu verzichten.
Berlins Senatsinnenverwaltung unter Senatorin Iris Spranger (SPD) warf den Klimaaktivis*innen über die Plattform X ganz konkret vor, »den Schutz israelischen und jüdischen Lebens mit ihren Aktionen zu gefährden«. Die Letzte Generation widerspricht und verweist auf das Recht auf Versammlungsfreiheit. »Unsere Proteste sind friedlich und unsere Anliegen legitim«, sagt Theodor Schnarr, ebenfalls Sprecher der Gruppe, zu »nd«. In jüngster Zeit sei zunehmend zu beobachten, dass die Polizei ihre Kapazitäten nicht nur darauf verwende, Blockaden aufzulösen, sondern auch darauf, Proteste schon im Vorhinein zu verhindern – so wie an diesem Donnerstagmorgen. Das sei schon aufgrund des Demonstrationsrechts problematisch und binde zusätzlich viele Polizeikräfte.
Unterstützung erhält die Letzte Generation sogar aus den Reihen der Polizei: Wenn die Klimaproteste jüdisches Leben gefährdeten, dann gelte das »also sicher auch für die abertausenden egoistischen Falschparker täglich, oder wenn man eine Anzeige aufgeben mag?«, so die Reaktion von Kriminalhauptkommissar Oliver von Dobrowolski auf den Vorwurf der Berliner Innenverwaltung. Diesen nennt er »eine krude und auch unanständige Sichtweise«.
In dieser Woche sind noch weitere Proteste geplant, unter anderem eine Massenbesetzung der Straße des 17. Juni an diesem Samstag. Anders als sonst wird die Aktion öffentlich beworben, um möglichst viele Menschen dazu einzuladen. Ähnlich hat es Extinction Rebellion (XR) gerade in den Niederlanden gemacht: Die Gruppe blockierte fast einen Monat lang täglich die Autobahn A12 in Den Haag mit teilweise Tausenden Demonstrant*innen und beeindruckendem Erfolg: Das Parlament beauftragte die Regierung mit einem Plan zur Beendigung aller fossilen Subventionen – wie von XR gefordert.
Die Letzte Generation hatte die dortigen Proteste unterstützt, nun sind Aktivist*innen von XR Niederlande zum Gegenbesuch in Berlin, um hier gemeinsam für ein Ende umweltschädlicher Subventionen zu demonstrieren. 2018 umfassten diese laut Umweltbundesamt 65,4 Milliarden Euro. Die Bundesregierung habe beim Klimaschutz »versagt«, findet Schnarr. »Die Zeit zum Meckern ist vorbei.« mit dpa
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