Psychoterror im Betrieb

IG Metall will verstärkt gegen Union Busting in Unternehmen vorgehen

Leiden unter gewerkschaftsfeindlichen Strategien im Betrieb: Beschäftigte gehen in Köln gegen Union Busting auf die Straße.
Leiden unter gewerkschaftsfeindlichen Strategien im Betrieb: Beschäftigte gehen in Köln gegen Union Busting auf die Straße.

Frank ist erschöpft, kann nachts nicht schlafen und leidet unter Migräne. Das sind nicht etwa die Überbleibsel einer Corona- oder anderweitigen Infektion. Der ehemalige Betriebsratsvorsitzende eines mittelgroßen Industrieunternehmens leidet unter anhaltenden psychischen Folgen von Mobbing im Betrieb. Sein Chef verbreitete Unwahrheiten über ihn und seine Gewerkschaftskolleg*innen, drohte mit Kündigung. »Ich war über Jahre im Dauerstress«, beklagt Frank. Er litt unter Existenzängsten, trank viel Alkohol, zog sich aus dem sozialen Leben zurück. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, der ihn nun zu Stillschweigen verpflichtet.

Franks Geschichte ist kein Einzelfall. »Unsere Erfahrungen zeigen: Viele Betriebsräte sind auf die eine oder andere Art und Weise mit Mobbing oder gewerkschaftsfeindlichen Strategien konfrontiert«, teilt die IG Metall auf nd-Anfrage mit. Darum habe man im Jahr 2018 eine neue hauptamtliche Stelle für einen politischen Sekretär geschaffen, die seitdem Betriebsräte berät und betreut, die unter Union Busting leiden.

Der Begriff bezeichnet Strategien, mit denen Unternehmen systematisch versuchen, kollektive Organisierung und betriebliche Interessenvertretung zu behindern. Die aggressiven Praktiken werden dabei zu planvollen und systematischen Kampagnen kombiniert, erklärt die IG Metall. Die Union-Busting-Stelle bietet zu dem Thema Fortbildungen an, um die Geschäftsstellen vor Ort zu sensibilisieren, die in solchen Fällen zuständig sind.

Das Problem drängt, sind sich die Metaller*innen auf ihrem Gewerkschaftstag, der am Donnerstag endete, einig. Es gibt kaum Betriebsratsgründungen, die ohne Einschüchterung, Androhung von Abmahnungen, Schikanen oder Strafversetzungen gegenüber Wahlinitiator*innen stattfinden, berichten etwa Delegierte aus Nordrhein-Westfalen. Aber nicht nur Wahlen werden torpediert. Auch etablierte Betriebsratsgremien sähen sich zunehmend Angriffen von Kapitalseite ausgesetzt, stellen die Gewerkschafter*innen in ihrem Beschluss fest.

Das bestätigt auch eine Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2020. Die Forscher*innen haben dafür 172 hauptamtliche Gewerkschafter*innen nach ihren Erfahrungen befragt. Demnach hätten sich Fälle, in denen Unternehmen die Gründung von Betriebsräten be- oder verhindert haben, von 2016 bis 2018 verdoppelt. Berichteten die Gewerkschafter*innen im Jahr 2016 von 45 Fällen, waren es zwei Jahre später 87 – wobei die Dunkelziffer hoch ist.

Vor allem in mittelgroßen Betrieben mit bis zu 200 Beschäftigten würden Union-Busting-Strategien angewendet, heißt es in der Studie. Am häufigsten komme die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern aus fadenscheinigen Gründen vor. Aber auch psychischer und sozialer Druck, wie im Fall von Frank, würde häufig eingesetzt, um organisierte Arbeiter*innen aus dem Betrieb zu drängen.

Aktuelle Zahlen liegen jedoch nicht vor, teilte die Hans-Böckler-Stiftung auf Anfrage mit. Eine neue Studie soll im kommenden Jahr erscheinen. Und auch das Bundesarbeitsministerium hat keinen genauen Einblick. »Fälle von Union Busting sind schwierig zu erfassen, weil es vielfach im Verborgenen stattfindet«, heißt es auf nd-Anfrage aus dem Ministerium. Zu vermuten wäre, dass es mit den neuen Digitalbetrieben wie Gorillas und Lieferando auch mehr Fälle von Union Busting gibt.

Auch aus gewerkschaftlicher Sicht hat die Zahl der Fälle eher zugenommen. »Das hat einerseits damit zu tun, dass es eine noch größere Aufmerksamkeit für das Thema gibt«, erklärt die IG Metall. Vor allem aber hätten die Unternehmen ihr Vorgehen professionalisiert. Anwaltskanzleien hätten sich darauf spezialisiert, die rechtlichen Graubereiche auszunutzen, und verkaufen inzwischen vorgefertigte Beratungspakete an Unternehmen.

Das soll sich nach dem Willen der IG Metall ändern. So sollen schärfere Gesetze dazu beitragen, den Strategien der Unternehmer*innen entgegenzuwirken. So sieht der Beschluss des diesjährigen Gewerkschaftstags vor, dass der nachwirkende Kündigungsschutz für Wahlinitiator*innen, Wahlvorstände und Betriebsrät*innen verbessert und die Rechtsgrundlage für Verdachtskündigungen abgeschafft werden sollen. Zudem fordert die Gewerkschaft Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich auf Delikte gegen das Betriebsverfassungsgesetz spezialisieren. Dafür gebe es bereits eine Rechtsgrundlage, heißt es aus dem Arbeitsministerium. Hierfür seien jedoch die Länder zuständig.

Ferner will die IG Metall, dass die Behinderung von Betriebsratswahlen und -arbeit zu einem Offizialdelikt wird, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Die Staatsanwaltschaft müsste dann anonymen Hinweisen nachgehen und nicht erst auf eine Anzeige reagieren. Das Vorhaben stehe weiter auf der Agenda, heißt es auf nd-Anfrage aus dem von Hubertus Heil (SPD) geführten Bundesarbeitsministerium. Allerdings gebe es dazu keinen neuen Stand.

Die Vorschläge reichen Frank nicht. »Die sind alt«, kritisiert er. »Es müssen endlich Taten folgen.« Er fordert Solidarität und nicht nur neue Regeln. »Das Ziel der Chefs ist, dich psychisch zu zerstören.« Da helfe nur Zusammenstehen, ist er überzeugt. Von seiner Gewerkschaft fühlt er sich alleingelassen. Ob die IG Metall es schafft, mit ihrer Arbeit gegen Union Busting diese Solidarität zu stärken, wird sich zeigen.

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