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Die schwere Suche nach einer Lösung

Kein Ende des Kriegs in Nahost in Sicht

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 5 Min.

Normalerweise ist Sderot eine Kleinstadt mit 30 000 Einwohnern. Die Menschen haben wenig Geld, denn gut bezahlte Jobs sind hier, in unmittelbarer Nähe zum Gazastreifen, rar. Schon seit mehr als 20 Jahren wird die Ortschaft immer wieder zum Ziel von Raketenangriffen der Hamas und des Islamischen Dschihad. Das macht die Ansiedelung von Unternehmen und das wirtschaftliche Fortkommen schwer.

Nun ist die Stadt, wie auch viele der kleinen Gemeinden in der Nachbarschaft, so gut wie verlassen. Nach den Massakern am 7. Oktober hat die Regierung die Menschen zur Evakuierung aufgefordert; untergebracht werden sie in Hotelzimmern, bezahlt aus dem Staatshaushalt. Stattdessen sind entlang der Grenze zum Gazastreifen mehrere zehntausend Soldaten aufmarschiert.

Menschen auf beiden Seiten auf der Flucht

Auch im Gazastreifen sind die Menschen auf der Flucht: Israels Militär fordert die Bevölkerung in Gaza-Stadt und Umgebung immer wieder dazu auf, in den Süden an der ägyptischen Grenze zu flüchten. Um die 800 000 Menschen haben das auch getan und harren nun unter sehr extremen Bedingungen aus. Die Regierungen Israels und Ägyptens lassen nur die Lieferung von unbedingt lebensnotwendigen Gütern wie Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten über die Grenze nach Ägypten zu, Treibstoff ist nicht dabei. Die Hamas horte ihn, nutze Benzin und Öl vor allem für ihre Kriegsführung, so der Vorwurf der israelischen Regierung. Doch das bedeutet auch: Wer jetzt flüchten möchte, kann das oft nicht mehr tun, weil die Tanks leer sind.

Nun, fast drei Wochen, nachdem alles begann, wird sehr deutlich, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann, auf beiden Seiten nicht. Im Gazastreifen droht der Ausbruch schwerer Krankheiten wie der Cholera, Hunger und Mangelernährung, warnt UNWRA, das Hilfswerk der Vereinten Nationen für die palästinensischen Flüchtlinge. Ohne Treibstoff könne man die Unterstützung der Menschen auch nur noch in sehr begrenztem Umfang aufrechterhalten.

Krieg schwächt die Wirtschaft massiv

Israel steuert indes zusätzlich zum Krieg rasend schnell auf eine schwere Wirtschaftskrise zu: Viele Menschen arbeiten derzeit nicht, Unternehmen sind geschlossen. Und die Kosten der Unterbringung für die Evakuierten belasten den Staatsetat zusätzlich.

Viele Menschen in Israel versprechen sich von einer Bodenoffensive im Gazastreifen schnelle Fortschritte: die Zerstörung von Hamas und Islamischem Dschihad, damit ein Ende der Raketenangriffe. Doch der Beginn der Offensive lässt auf sich warten. Stattdessen gab das Militär nun bekannt, dass mehrfach Truppen mit Panzern in den nördlichen Gazastreifen eingedrungen seien, um Einrichtungen der Hamas zu zerstören. Ziel sei die Vorbereitung der nächsten Kampfphasen, gab Verteidigungsminister Joav Gallant bekannt. Begonnen habe die Bodenoffensive damit aber noch nicht.

Benny Gantz, Oppositionsführer und nun Teil des dreiköpfigen Kriegskabinetts unter Beteiligung von Regierungschef Benjamin Netanjahu und Gallant, versucht derweil, die Erwartungen der Bevölkerung zu dämpfen: Es werde Jahre dauern, bis die Sicherheit im Süden Israels hergestellt sei. Das liegt auch am zunehmenden internationalen Druck: Auf ihrem Gipfel werden sich die Regierungen der Europäischen Union wahrscheinlich auf die Forderung nach »humanitären Kampfpausen« einigen. Die Forderung nach einer »humanitären Waffenruhe«, wie sie Uno-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagen hatte, scheiterte unter anderem am Widerspruch der Bundesregierung.

Israel hat keine guten Erinnerungen an versprochene Verhandlungen

Doch in Israel sieht man sich dennoch zunehmend in jene Situation gedrängt, in der man sich schon während des Gaza-Kriegs 2014 befand. Auch damals geriet das Land Wochen lang unter massiven Raketenbeschuss und musste dann trotzdem auf internationalen Druck hin eine Waffenruhe akzeptieren, nach der dann alles Weitere in Verhandlungen geklärt werden sollte. Nur: Das passierte nie. Kaum war der Waffenstillstand bekannt gegeben, verschwand Gaza aus dem Bewusstsein der internationalen Öffentlichkeit und Politik.

Nun jedoch hat die Zahl der abgeschossenen Raketen schon nach wenigen Tagen die Zahl der Abschüsse 2014 weit überschritten. Zudem halten die Terrorgruppen in Gaza mehr als 220 Israelis gefangen. Mindestens 1400 wurden während des Massakers vor drei Wochen getötet. Dass sich das Kriegskabinett vor diesem Hintergrund darauf einlässt, den Konflikt mit der Hamas nochmals in einen Wartezustand zu schicken, gilt als ausgesprochen unwahrscheinlich.

Israel und Palästinenserführung könnten Kontrolle in Gaza übernehmen

Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass Israels Notregierung und die offizielle palästinensische Führung über eine Übernahme der Kontrolle im Gazastreifen sprechen. In diesem Szenario wäre die Hamas am Ende des Kriegs so geschwächt, dass sie die Macht in Gaza nicht mehr ausüben könnte. Die palästinensische Regierung in Ramallah würde dann mehrere zehntausend Polizisten, möglicherweise verstärkt durch Uno-Truppen, nach Gaza schicken und dort eine Zivilverwaltung aufbauen.

Doch dabei gibt es mehrere Probleme. Die Autonomieverwaltung ist pleite, sie kann das erforderliche Personal nicht aus eigenen Mitteln bezahlen. Die internationale Gemeinschaft müsste also aushelfen. Zudem ist die Frage offen, ob die Bevölkerung in Gaza Blauhelme akzeptieren würde. Und in Ramallah möchte man, dass Netanjahu sämtliche Bauprojekte in Siedlungen dauerhaft beendet und ernsthafte Verhandlungen für die palästinensische Unabhängigkeit beginnt. Doch das würde bedeuten, dass ihm seine eigentliche Koalition aus zwei religiösen Parteien und einem rechtsradikalen Wahlbündnis wegbricht. Nur: Die tatsächlichen Ansagen trifft momentan Gantz, der auch mit Sicherheit Netanjahu in absehbarer Zeit beerben wird.

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