- Kommentare
- Krieg in Nahost
Kein Frieden für Israel?
Sebastian Weiermann fragt sich: Wie soll Israel seinen Bürger*innen Sicherheit garantieren?
Sie werden immer lauter, die Rufe und Forderungen nach einer Feuerpause, einem Waffenstillstand oder gar nach Frieden im Nahen Osten. Knapp drei Wochen nach dem Massaker der Hamas in Israel will niemand mehr israelische Militärschläge und Angriffe von Hamas, Islamischem Dschihad und Hisbollah sehen. Die Warnungen und Mahnungen gehen raus an Israel. Das Land solle sich das mit der Bodenoffensive noch einmal überlegen. Vor Kriegsverbrechen und Gräueltaten Israels wird gewarnt. Ernsthafte und eindrückliche Appelle an die Islamisten sind seltener. Verwunderlich ist das nicht. Fanatische Terrorgruppen sind keine guten Verhandlungspartner, auf ihr Wort ist kein Verlass.
Trotzdem hört Israel immer wieder auf die Stimmen, die eine Waffenruhe fordern. Seit dem Abzug Israels und der Räumung der letzten Siedlungen in Gaza 2005 passiert in unschöner Regelmäßigkeit das Gleiche. Die Hamas feuert Raketen auf Israel, Israel reagiert mit Luftangriffen. Irgendwann hat die Hamas genug und lässt über Vermittler mitteilen, dass Zeit für eine Waffenpause ist. Die Welt atmet auf, in Gaza leiden die Menschen weiter und niemand beschäftigt sich mehr mit dem lästigen Nahost-Konflikt. So war es 2008, 2012, 2014 und 2021.
Dieses Mal ist es anders. Das Massaker vom 7. Oktober hat viel verändert. Ein Staat, auch Israel, muss seinen Bürger*innen Sicherheit gewährleisten. Das gehört zu den Grundlagen jeder ernstzunehmenden bürgerlichen Staatstheorie. Diese Sicherheit hat Israel versucht zu gewährleisten. Öffentliche Bunker, Schutzräume in Wohnungen, Militärentwicklungen wie das Raketenabwehrsystem Iron Dome – alles Entwicklungen, um die Menschen in Israel zu schützen. So hatte man gelernt, mit den Bedrohungen von Hamas, Hisbollah und Co. umzugehen. Mit Massakern lässt sich so aber nicht umgehen. Auch die linksliberalste Regierung auf der Erde könnte sich nicht bieten lassen, dass Menschen auf ihrem Staatsgebiet gefoltert, ermordet und entführt werden.
Was soll Israel nun also tun? Einer Waffenruhe zustimmen und der Hamas dabei zuschauen, wie sie ihr Raketenarsenal auffüllt und den nächsten Terrorakt vorbereitet, der möglicherweise noch grausamer ist? Zuschauen, wie seine Feinde, die nicht weniger wollen, als Israel zu vernichten, sich noch besser bewaffnen? Das kann für Israel keine Option sein.
Natürlich wird die angekündigte Bodenoffensive, wenn sie denn kommt, neues Leid produzieren. Auf beiden Seiten – das zu sagen ist hier angebracht. Denn auch israelische Reservist*innen könnten sich wohl etwas Besseres vorstellen, als in Gaza einzumarschieren. Gegen die rechte Regierung protestieren zum Beispiel, wie es viele bis zum 7. Oktober getan haben. Wer nun also nach einem Waffenstillstand ruft, das gilt von Friedensaktivist*innen auf dem Marktplatz in Buxtehude über Zeitungskommentator*innen bis zu internationalen Spitzenpolitiker*innen, sollte auch die Frage beantworten, wie Israel auf die ständige Bedrohung reagieren kann. Wie das Land seinen Bürger*innen Schutz und ein Leben ohne ständige Angst gewähren kann. Appelle an beide Seiten werden dabei sicher nicht helfen. Langfristig kann der jüdische Staat nur mit Nachbar*innen in einem freien Palästina leben, die ihn nicht vernichten wollen. Hamas und Hisbollah sind solche Nachbarn nicht.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.