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Militäraufmarsch und Bomben als Botschaft
USA schicken Schiffe und Truppen nach Nahost und greifen Stellungen der Revolutionsgarden und pro-iranischer Kräfte in Syrien an
Der UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einer »beispiellosen Eskalation« der israelischen Bombenangriffe. Die Uno-Vollversammlung fordert mit überwältigender Mehrheit eine »sofortige humanitäre Waffenruhe« im Gazastreifen und rasche Hilfe für die dort lebenden Zivilisten. Die EU stritt tagelang. Heraus kam die Bitte um »Feuerpausen«.
Auch Russland beteuert, all seine Kontakte einzusetzen, um bei der Geiselbefreiung und der Eindämmung des Konfliktes zu helfen. Doch: Welche Vorschläge man von New York, Brüssel oder Moskau auch aussenden mag – sie sind in der aktuellen Situation für den Krieg, dessen Auswirkungen keiner kennt, bedeutungslos. Dieser hat weiter das Zeug zu einem regionalen Flächenbrand mit globalen Auswirkungen.
Einzig die USA sind derzeit vielleicht in der Lage, den Konflikt einzuhegen. Auch durch Androhung und Ausübung von Gewalt. Dazu dient ein massiver Militäraufmarsch im Nahen Osten. Seit Mitte vergangener Woche befinden sich zwei kampfstarke Flottenverbände vor Ort. Sie werden von den atomar betriebenen und mutmaßlich auch atomar bestückten Flugzeugträgern »USS Dwight D. Eisenhower« und »USS Gerald R. Ford« angeführt. Das US-Militär hat mehrere Luftverteidigungssysteme in die Region gebracht, F-16-Kampfjets wurden nach Griechenland verlegt.
In früheren Jahren hätte man Luftwaffenbasen der Türkei genutzt. Griechenland wie die Türkei sind Mitglied der Nato. Doch Ankaras Haltung zum Gaza-Konflikt und zur Hamas, die am 7. Oktober Israel überfallen hat, ist nicht kompatibel mit Washingtons Position.
Neben den F16 der »Jersey Devils«-Staffel, die bereits bei diversen Luftoperationen im gesamten Nahen Osten reichlich Erfahrungen gesammelt hat, ist der Militärflughafen von Elefsina im Südwesten Griechenlands zugestellt mit Transportmaschinen der US-Luftwaffe. Denkbar ist, dass man sie bei möglichen Evakuierungsoperationen parallel zu den von Zypern aus koordinierten Nato-Bemühungen einsetzen will. Auch die US-Navy bereitet sich vor, denn die US-Regierung ist höchst beunruhigt über die Situation in Israel. Dort leben, so teilte das US-Außenamt gerade mit, etwa 600 000 US-Bürger. Weitere 86 000 sind im Libanon registriert. Das Außenministerium der Vereinigten Staaten bat mehrfach alle in der Region befindlichen US-Bürger um »erhöhte Vorsicht«.
Präsident Joe Biden hat bereits vor einer Woche mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu gesprochen, um ihn – so sagt das Weiße Haus – über »die US-Unterstützung für Israel und die laufenden Bemühungen um regionale Abschreckung, einschließlich neuer US-Militärbasen«, zu informieren. Laut »Washington Post« drängt die US-Regierung Israel nun, seine Pläne für eine große Bodenoffensive im Gazastreifen zu überdenken und sich stattdessen für eine »eher chirurgische Operation« zu entscheiden.
Es würden in diesem Fall Flugzeuge und Spezialeinheiten eingesetzt werden, die präzise Angriffe auf hochrangige Ziele und Infrastrukturen der Hamas durchführen. Dabei könnten James Glynn und dessen Team helfen. Das Pentagon hat den Generalleutnant des Marine Corps als Berater nach Israel entsandt, weil er Spezialeinheiten gegen den Islamischen Staat geführt und im irakischen Falludscha Erfahrungen im Kampf im urbanen Raum gewonnen hat.
In diesen Tagen sind auch der Irak – wo 2500 US-Soldaten stationiert sind – und Syrien – da halten 900 Mann die Stellungen – wieder stärken ins Blickfeld geraten. Am Donnerstag teilte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin mit, dass US-Streitkräfte »Selbstverteidigungsangriffe« auf zwei Einrichtungen im Osten Syriens durchgeführt hätten, die von den iranischen Revolutionsgarden und verbündeten Gruppen genutzt würden.
Man wollte das als Vergeltung verstanden wissen, denn seit ein paar Tagen würden US-Stützpunkte dort angegriffen. 21 US-Soldaten seien dabei leicht verletzt worden. Syrische Medien bestätigten, der »irakische Widerstand« habe die US-Besatzungstruppen auf den Stützpunkt Abu Hajar in Khrab al-Jir im Nordosten Syriens angegriffen. Auch die Basis Ain al-Assad im Westen des Irak sei ins Visier genommen worden.
Die USA reagierten mit einem »klar begrenzten Angriff« auf ein Munitions- und Waffenlager in der Nähe der Grenzstadt Abu Kamal. Befragt, ob das zu zusätzlicher Gewalt führen könnte, hieß es aus dem Pentagon: »Das ist eine Entscheidung, die in Teheran getroffen wird.« Doch, so unterstrich Austin, sein Land suche »keinen Konflikt« und habe »weder die Absicht noch den Wunsch, sich an weiteren Feindseligkeiten zu beteiligen«.
Der US-Luftangriff war also »nur« eine erneute und sehr ernst gemeinte Botschaft an Teheran. Im Klartext bedeutet sie: Auch wenn Israel nun zum Schlag gegen die Hamas-Terroristen ausholt – der Iran soll die Füße stillhalten und »keine Maßnahmen ergreifen, die zu einem größeren regionalen Konflikt eskalieren würden.«
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