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Humanisierte Schweineherzen
Gentechnische Veränderungen und keimfreie Haltung sind Voraussetzung für die Organspende von Tier zu Mensch
Den Mangel an menschlichen Spenderorganen mittels Organen von Tieren zu beheben, ist eine alte Idee. Die Entwicklungen der Genome-Editing-Technologien haben dem Forschungsfeld einen neuen Anstoß gegeben. Rund zehn Jahre nach der Entdeckung der Genschere Crispr-Cas9 werden wieder klinische Versuche an Patient*innen vorgenommen.
Im Januar vergangenen Jahres fokussierte sich die internationale mediale Aufmerksamkeit auf den US-Amerikaner David Bennett, dem am University of Maryland Medical Center in den USA das weltweit erste transgene Schweineherz implantiert wurde. Der 57-Jährige war vor dem Eingriff wegen einer lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung sechs Wochen mit einer Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten worden. Für eine normale Herztransplantation kam er ebenso wenig in Frage wie für ein künstliches Herz. Die US-Arzneimittelbehörde FDA genehmigte das risikoreiche Experiment über ihre »Compassionate Access«-Regelung, nach der nicht zugelassene Behandlungen als letzte Heilversuche zum Einsatz kommen können. Zwei Monate nach dem Eingriff verstarb Bennett an einem plötzlichen Herzversagen, obwohl sich das Transplantat laut seinen Ärtzt*innen über Wochen hinweg als voll funktionsfähig erwiesen hatte.
Zunächst lautete die Botschaft der Klinik, eine Abstoßung sei ausgeblieben. In einer drei Monate später veröffentlichten Studie ist von mehreren sich überschneidenden Faktoren die Rede, die zu dem Herzversagen geführt hätten: neben dem schlechten Gesundheitszustand des Patienten und seinem geschwächten Immunsystem auch eine antikörpervermittelte Abstoßung. Zudem löste die Reaktivierung eines Schweinevirus im Transplantat »möglicherweise eine schädliche Entzündungsreaktion aus«. Unbeirrt von diesem Rückschlag wurde im September in Maryland dem zweiten Patienten, dem 58-jährigen Lawrence Faucette mit einer Herzerkrankung im Endstadium ein Schweineherz transplantiert. Zunächst habe der Patient erhebliche Fortschritte gemacht, teilte das Krankenhaus mit. Am 30. Oktober ist Faucette nun gestorben, nachdem sein Herz Tage zuvor erste Zeichen einer Abstoßung gezeigt habe.
Immunabstoßung als erste Hürde
Auch wenn das Ergebnis dieses Versuchs also noch aussteht, historisch hat sich der Ansatz der Xenotransplantation, das heißt, die Transplantation eines tierischen Organs in einen Menschen als auf mehreren Ebenen schwierig erwiesen. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren Xenotransplantationen nicht denkbar – durch den begrenzten Stand der Medizin. Bereits in den 60er Jahren hatte es erfolglose Versuche gegeben, Schimpansenorgane in Menschen zu transplantieren. Der erste prominente Versuch, bei dem die Patientin zunächst überlebte, wurde an »Baby Fae« unternommen, einem wenige Tage alten Baby mit einem nicht operierbaren angeborenen Herzfehler. 1984 verpflanzte der Chirurg Leonard Bailey dem Kind am Loma Linda Medical Center in Kalifornien ein Pavianherz, doch das Immunsystem des Kindes stieß das Organ ab und das Kind starb nach 20 Tagen. Seitdem wurden immer bessere Immunsuppressiva entwickelt, das Verständnis der Immunbiologie der Transplantatabstoßung wurde erweitert.
Die erste große Hürde im Falle einer Transplantation ist die akute Abstoßungsreaktion, ausgelöst durch körperfremde Marker auf den Tierzellen, die sich in einer Zerstörung des Transplantats und Blutgerinnungen zeigt. Forschende hoffen durch eine gentechnische »Humanisierung« der Spendertiere die Abstoßungsreaktion möglichst gering halten zu können. Dafür werden bestimmte menschliche Gene in die Tierzellen eingefügt. Eine weitere Gefahr ist die Krankheitsübertragung. Dieser soll durch eine keimfreie Haltung der Tiere begegnet werden, und seit Crispr-Cas9 auch durch die gentechnische Inaktivierung von bestimmten Viren, die im Genom der Tiere ruhen und reaktiviert werden können.
Nicht nur für die betroffenen Patient*innen könnten fremde Keime gefährlich werden. Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie haben die Sorge vor einer »Xenozoonose« noch gesteigert, schließlich wird geschätzt, dass drei von vier neu auftretenden menschlichen Erkrankungen von Tieren stammen. Gerade Transplantationspatient*innen könnten mit ihrem geschwächten Immunsystem die ideale Brutstätte für neue Infektionskrankheiten darstellen. Nicht zuletzt sind auch die unterschiedlichen Organgrößen problematisch: Organe von Hausschweinen wachsen nach Transplantationen zu schnell weiter. Dies kann durch die Entfernung der Gene für Wachstumshormonrezeptoren gehemmt werden, doch sie bringt neue biologische Probleme mit sich. Und schließlich muss das Organ natürlich funktional sein, also nicht nur anatomisch, sondern auch physiologisch beispielsweise in die hormonellen Signalwege der Empfänger*innen passen.
Wettlauf der Biotechunternehmen
Schweineorgane stehen im Fokus der Forschung, da sie bereits eine hohe Ähnlichkeit zu denen des Menschen haben, die durch gentechnische Eingriffe weiter gesteigert werden soll. Auch in Deutschland wird an diesem Ansatz geforscht. Die Firma XTransplant wurde 2020 in München gegründet, um »eine Welt zu schaffen, in der es keinen Mangel an Spenderherzen gibt«. Die beteiligten Wissenschaftler*innen entwickeln in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München gentechnisch »humanisierte«, patentierte Schweine als Organspender.
Das bei Bennett und Faucette verwendete transgene Schweineherz mit dem Markennamen »UHeart™« wurde von der Firma Revivicor vorbereitet. Das University of Maryland Medical Center hatte zuvor 15,7 Millionen US-Dollar erhalten, um die Transplantation der Herzen in Paviane zu testen. Laut einer Veröffentlichung blieben sie in den Affen bis zu drei Jahre funktional.
Ähnliche Erfolge werden auch in einer kürzlich veröffentlichten Studie berichtet, bei der Nieren von transgenen Schweinen in Affen transplantiert wurden und einige von jenen über zwei Jahre lang am Leben erhielten. Durchgeführt wurde das Experiment von dem Biotech-Startup eGenesis, das von dem umstrittenen Genetiker George Church mitgegründet wurde, der der Welt noch die versprochene Auferstehung des Mammuts schuldet. Die beteiligten Wissenschaftler*innen verwendeten anders als Revivicor eine Miniaturschweinerasse für die passende Organgröße und verglichen den Effekt von verschiedenen genetischen Veränderungen auf die Abstoßungsreaktion und Funktion des Organs nach einer Transplantation in Langschwanzmakaken.
Insgesamt bis zu 69 genetische Änderungen wurden in den Schweinen durchgeführt – so viele wie noch nie für eine Xenotransplantation. Die Affen mit den Organen, bei denen alle genetischen Veränderungen durchgeführt wurden, lebten am längsten – in einem Fall 768 Tage, bevor das Tier wegen Ödemen und Niereninsuffizienz eingeschläfert wurde. Die Forschenden entdeckten in seiner Schweineniere Zysten unbekannten Ursprungs. Laut Joachim Denner, Experte für Xenotransplantationen am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin, muss zunächst geklärt werden, warum einige Tiere wesentlich kürzer überlebten; aber »im Grunde könnten die Nieren von den beschriebenen gentechnisch modifizierten Tieren […] mit einer an den Menschen angepassten Immunsuppression für eine klinische Studie verwendet werden«.
Nicht einwilligungsfähige Patient*innen
Die Firma eGenesis strebt nicht nur Xenotransplantationen von Nieren an, in einer weiteren Studie testet sie auch die Transplantation von Herzen ihrer transgenen Schweine in zwölf Pavianbabys. Die Studie soll den Grundstein für die Anwendung am Menschen legen. Bereits im nächsten Jahr hofft eGenesis, Schweineherzen in Menschenbabys mit schweren Herzfehlern zu transplantieren, um diese am Leben zu erhalten, bis ein menschliches Spenderorgan einsetzbar ist. Die ersten operierten Paviane überlebten jedoch nur wenige Tage, laut der Firma wegen operativer Komplikationen und nicht wegen Abstoßungsreaktionen.
Die US-amerikanische Ethikerin Syd Johnson wies darauf hin, dass Babys – anders als die bisherigen zwei Probanden der Experimente mit den Revivicor-Herzen – keine informierte Einwilligung geben können. Eltern würden »verzweifelt nach allem suchen, was das Leben ihres Kindes retten könnte«, so Johnson. Die Herzen könnten tatsächlich eine Chance sein für Kinder, deren Überlebenschancen sonst sehr schlecht sind. Ein Scheitern des risikoreichen Experiments würde jedoch eine Verlängerung ihres Leidens durch zusätzliche OPs und intensivmedizinische Behandlungen bedeuten, die von den Betroffenen aufgrund ihres jungen Alters nicht verstanden und nicht verweigert werden können. Letztendlich braucht es jedoch klinische Studien, denn wegen der Unterschiede der Spezies können Ergebnisse aus Tierversuchen nur begrenzt etwas über die Funktionalität der Organe aussagen.
Auch an hirntoten Menschen wurden die Xenotransplantationen schon mehrfach erprobt. Im August berichteten Mediziner*innen des New Yorker Krankenhauses NYU Langone, dass die bei einem hirntoten Patienten eingesetzte, genetisch veränderte Schweineniere seit 32 Tagen funktioniere.
Komplexe Abwägung
Allein in Deutschland stehen momentan rund 8500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan, die meisten warten auf eine Niere. Vergangenes Jahr verstarben 743 Personen auf der Warteliste. Dem gegenüber stehen bundesweit nur 869 Organspender*innen im Jahr 2022. Der Bedarf an alternativen Quellen für Organe ist also hoch. Zwar sind Xenotransplantationen nicht der einzige Forschungsansatz, doch die Versuche, Organe aus menschlichen Stammzellen im Labor wachsen zu lassen, zeigen bisher nur bescheidenen Erfolg.
Neben Bedenken wegen nicht einwilligungsfähiger Patient*innen gibt es auch solche, die das Wohl der Tiere angehen, die unter starken Beschränkungen gehalten werden. Nicht umsonst hält eGenesis aus Angst vor Tierrechtsprotesten den Standort seiner Forschungseinrichtung mit etwa 400 geklonten Schweinen geheim. Je weiter die Schweine genetisch »humanisiert« werden, desto mehr ethische Komplexität kommt hinzu. Ein Forschungszweig beschäftigt sich beispielsweise mit der Schaffung von Chimären, also Mischwesen aus Spezies, die geringere Abstoßungsreaktionen mit sich bringen sollen. Diese Forschungsziele wecken dystopische Gedanken an die Erschaffung von Schweinemenschen, die in Organfarmen bis zur »Ernte« vegetieren. Ob wir als Gesellschaft wirklich eine Forschung in diese Richtung vorantreiben wollen, ist fraglich – zugleich scheint sie derzeit alternativlos.
Dr. Isabelle Bartram ist Molekularbiologin und Mitarbeiterin beim Gen-ethischen Netzwerk e.V.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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