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»Love Is A Dog From Hell« im Kino: Liebeskummer aus der Hölle

Freifahrtschein Mythos: Der Regisseur Khavn entledigt sich in »Love Is A Dog From Hell« aller Konventionen

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Bilder sind in Rhythmen gebaut.
Die Bilder sind in Rhythmen gebaut.

Orphea steigt in die Hölle hinab, um Eurydiko zu suchen. Der Mythos also neu, einmal mit Gendertausch, und das ist dann auch schon der ganze Plot von »Love Is A Dog From Hell«. Eigentlich ist das kein Plot, der Mythos nur Ausgangspunkt für einen Bilderrausch. Der philippinische Regisseur Khavn hat die Hölle nach Manila verlegt und drauflos gefilmt. Orphea ist, natürlich, Sängerin. Sie wird von Lilith Stangenberg gespielt, und das mit größtmöglicher Verausgabung. Orphea irrt verzweifelt durch die Höllenstadt und singt und schreit. Am Ende kotzt sie auf die Kamera. Die Farben übersteuern kontinuierlich, der Schnitt zerhackt das Bild und ungewohnte Kameraperspektiven rauben Zuschauerin und Zuschauer noch die letzte Orientierung. Und dann heißt der Film auch noch so wie ein Gedichtband von Charles Bukowski.

Einen Plot gibt es, wie gesagt, eigentlich nicht. »Love Is A Dog From Hell« ist von Anfang bis Ende radikal assoziativ strukturiert. Also gefühlt gar nicht. Ein visuelles Spektakel, das aber nichts Überwältigendes hat, sondern eine, bei aller Obszönität und allem Krach, eher zärtliche psychedelische Bilderwelt entfaltet. Eine Leidensgeschichte ist das natürlich auch oder eher ein Leidenspanorama, eben weil ja nicht wirklich eine Geschichte erzählt wird.

Und nicht zuletzt ist das alles natürlich ein exzessives Chaos: Zehn verschiedene Kameras sind für »Love Is A Dog From Hell« im Einsatz gewesen (Kamera: Albert Banzon und Gym Lumbera), darunter eine Super-8-Kamera. Ständig wechseln die Register, ohne dabei einer erkennbaren Logik zu folgen. Alles, was der Film zeigt, wirkt so, als würde es aus ihm und damit auch aus den Figuren herausfallen.

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Wenn man sich in den Rhythmus der Bilder nicht einklinken will oder kann, ist das natürlich vor allem anstrengend. Auch weil man es so sehr gewohnt ist, im Kino eine Geschichte erzählt zu bekommen: erster Akt, zweiter Akt und so weiter. Mit Figuren, die eine Psychologie haben und deren Seelenleben nicht nur, wie hier, aus Affektzuständen besteht, sondern sich kausal nachvollziehen lässt.

Vor allem aber ist diese frei von filmischen und narrativen Konventionen delirierende Bilderkaskade Musikkino. Lilith Stangenberg singt viel, fast die ganze Zeit, Sachen wie »Ich allein lebe und leide und mache Krach«. Die Bilder sind in Rhythmen gebaut. In den von Khavn komponierten Liedern, die Stangenberg singt, schreit und krächzt, überlagert sich ähnlich wie in den Bildern sehr vieles und das ziemlich ungestüm. Die Musik kombiniert Punk, Electronica, windschiefen Pop, Chansons, Folk und Noise.

In diesem Aufwasch wird der Mythos von bedeutsamem Ballast (Orpheus opfert Eurydike für die eigene Kunst) befreit, soweit man das einschätzen kann. In »Love Is A Dog From Hell« ist Eurydiko Orphea auf den Fersen. Khavn hatte bereits 2019 zusammen mit Alexander Kluge einen anderthalbstündigen Filmessay mit dem Titel »Orphea« produziert. Auch hier schon gab es einen Geschlechterwechsel, mit den gleichen Schauspieler*innen, Lilith Stangenberg und Ian Madrigal.

Eine Mythos-Interpretation im engeren Sinne ist »Love Is A Dog From Hell« allerdings nicht, dazu bleibt alles viel zu vage, rauschhaft und eben assoziativ. Das Manische, das diese Bilder bestimmt, durchzieht die Produktion des Filmemachers generell. Seit 1994 hat Khavn 47 Spielfilme und 112 Kurzfilme gedreht. Auch dieser wirkt wie schnell runtergedreht, ist dabei aber nicht fahrig oder indifferent, sondern wie ein konzentrierter Hochgeschwindigkeitsrausch.

Wenn Khavn eine Interpretation des Mythos unternimmt, dann in der Hinsicht, dass der Filmemacher, der, schreibt er selbst, das Skript unter dem Eindruck schlimmsten Liebeskummers verfasst haben will, sich auf dessen Affektkern konzentriert: Verlust und ein – hier allemal wahnhafter – Liebesschmerz. Ein Mensch sucht einen geliebten Menschen, den er vielleicht unwiederbringlich verloren hat. »Verlorene Liebe schmerzt wahrhaftig. Unerwiderte Liebe fordert den Tod«, heißt es an einer Stelle. Dabei ist »Love Is A Dog From Hell« gar nicht mal allzu traurig geraten. Schöne Dinge sind ausdauernd präsent: Musik, Rhythmen, Buntheit, eine spürbare Liebe zu den Mitteln und Möglichkeiten des Kinos. Alles ist Form, Farbe und Geräusch, Lärm und Übersteuerung.

»Love Is A Doge Form Hell«, Philippinen/Deutschland 2021. Regie: Khavn; Buch: Douglas Candono, Khavn. Mit: Lilith Stangenberg, Ian Madrigal. 90 Min. Jetzt im Kino.

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