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Hamburger Hafenaufstand: Geht Reederei MSC leer aus?

Gegen eine weitere Teilprivatisierung des Hafens regt sich Widerstand in der Stadt

Während am Samstag der Landesparteitag der SPD am Rande des Hamburger Hafengebietes in Wilhelmsburg seinen bürokratischen Gang ging, versammelten sich knapp zehn Kilometer entfernt Hafenarbeiter*innen zu einer Kundgebung am Rathausmarkt. Ihr Ärger richtete sich gegen die Entscheidung des rot-grünen Senats der Hansestadt, einen Teil des Unternehmens Hamburger Hafen und Logistik (HHLA) an die Container-Reederei MSC zu verkaufen.

Danach soll die Schweizer Großreederei 49,9 Prozent der HHLA-Anteile von der Stadt und Privatinvestoren übernehmen. Die Hansestadt will dazu etwa 20 Prozent ihrer Aktien abstoßen und nur noch eine knappe Mehrheit von 50,1 Prozent behalten. Für die sogenannte strategische Partnerschaft hat der Containerriese MSC eine Kapitalholding gegründet, die sich wiederum im Besitz einer Tochterfirma der Großreederei befindet: Shipping Agencies Services (SAS) mit Sitz in Luxemburg.

Die Beschäftigten der HHLA befürchten, dass durch diese komplexe Konzernstruktur einer mächtigen Reederei ihre Mitbestimmungsrechte geschliffen, Stellen abgebaut und sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern werden. Das geht aus einer Stellungnahme des Konzernbetriebsrates zur Entscheidung des HHLA-Vorstandes von vergangener Woche hervor. Im Fokus der Kritik steht dabei die europäische Aktiengesellschaft, die im Besitz der SAS ist und laut MSC von Unternehmensseite das operative Geschäft des Hamburger Hafen- und Logistikunternehmens leiten soll.

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Laut DGB werden derartige Konstruktionen mit europäischen Aktiengesellschaften von Unternehmen oftmals eingesetzt, um mittels Gesetzeslücken Tarifflucht zu begehen und etablierte Mitbestimmungsrechte in Betrieben auszuhöhlen. Die rot-grün-gelbe Bundesregierung hatte darum im Koalitionsvertrag angekündigt, das europäische Mitbestimmungsrecht gerade mit Blick auf diese Aktiengesellschaften zu stärken. Doch bislang wurde das Vorhaben nicht umgesetzt.

Die Stimmung im Betrieb sei mit Blick auf den drohenden Teilverkauf schlecht, berichtet Betriebsrätin Sonja Petersen im Gespräch mit »nd«. Sie arbeitet seit 23 Jahren bei dem Hamburger Logistikkonzern, ist Verdi-Vertrauensfrau und Mitglied in der Konzerntarifkommission. Aus ihrer Sicht ist die Entscheidung der Stadt ein großer Fehler. »Hamburg hatte bisher maßgeblichen Einfluss auf die Hafenpolitik. Mit dem privaten Unternehmen MSC kommt nun ein Konzern ins Spiel, der in erster Linie schaut, dass es den eigenen Profiten gut geht«, kritisiert sie.

»Durch die Entscheidung zum Teilverkauf hat sich bei den Kolleginnen und Kollegen eine große Wut aufgestaut«, erzählt etwa Luca vom Burchardkai im Gespräch mit »nd«. Dort fand vergangene Woche ein wilder Streik statt, an dem sich über drei Schichten verteilt rund 350 Beschäftigte beteiligten. Sie wollen anonym bleiben, weil sie für ihre Teilnahme am wilden Streik gegen die Konzernentscheidung Repressalien vonseiten des Unternehmens fürchten. »Die Information über den Teilverkauf wurde während einer Pausenversammlung bekannt und da ging ein Raunen durch den Raum«, berichtet Luca. Die Nachricht habe das Fass zum Überlaufen gebracht.

Doch das gilt nicht für alle Beschäftigten. So wurde nur an einem von insgesamt drei Terminals die Arbeit niedergelegt. Und die Betriebsräte hätten die Streikenden nicht vor Repressalien seitens des Unternehmens geschützt, kritisiert Luca.

Noch während des Ausstands hat das Unternehmen arbeitsrechtliche Schritte gegen die streikenden Arbeiter*innen eingeleitet, wie es auf nd-Anfrage heißt. Teils seien Mahnungen ausgestellt, es sei mit Kündigung gedroht worden, erzählen die Beschäftigten. Sie fordern in einem Brief, der »nd« vorliegt, dass der Konzern die Maßnahmen zurücknimmt, bevor weitere Gespräche zwischen Vorstand und Gewerkschaften über die Zukunft des Betriebes stattfinden.

»Ich kann die Sorgen verstehen«, sagt der hafenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Markus Schreiber, zu den Protesten im Gespräch mit »nd«. Aber er hält die Bedenken für unbegründet. So stimme es zwar, dass eine europäische Kapitalgesellschaft aufgesetzt worden sei, die die Anteile am Unternehmen übernimmt. »Aber die hat keine Mitarbeiter und spielt keine Rolle bei den strategischen Entscheidungen der HHLA«, erläutert er im Gespräch mit »nd« am Rande des SPD-Landesparteitages. Die Beschlüsse würden auch weiterhin vom Hafen- und Logistikbetrieb gefällt und nicht durch die Kapitalgesellschaft.

»Wir haben es so geregelt, dass die Rechte der Beschäftigten geschützt werden«, versichert er. Man habe dazu einen fünfjährigen Kündigungsschutz ausgehandelt. »Das ist relativ viel«, zeigt Schreiber sich zufrieden.

Doch den Beschäftigten reicht das nicht. Sie fordern langfristige Perspektiven. Auch weil die Probleme nicht erst jetzt anfingen, erläutert Betriebsrätin Petersen gegenüber »nd«. »Es gibt schon jetzt erheblichen Druck auf die Arbeitsplätze im Hamburger Hafen durch Automatisierung und eine geplante Arbeitszeitflexibilisierung«, sagt sie. So habe die HHLA bereits 2019 angekündigt, in den kommenden Jahren bis zu 500 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. »Es ist nicht anzunehmen, dass MSC eine andere Linie fahren wird«, vermutet sie. Darum lehnt sie den Schritt grundsätzlich ab.

Das sieht auch André Kretschmar so. Er leitet für Verdi den Fachbereich für öffentliche und private Dienstleistungen und Verkehr und ist zuständig für den Hafen. »Wenn man für Klimaschutz ist und den Hafen auch in diese Richtung entwickeln will, muss die öffentliche Hand die Aufgabe übernehmen«, fordert er. »Das wird kein Privatunternehmen machen, dessen Hauptinteresse Profit ist.«

Doch hier gehen die Interessen der Beschäftigten und Gewerkschaften in Hamburg und die strategischen Überlegungen in der Verdi-Bundesgeschäftsstelle auseinander. In einer zweideutigen Pressemitteilung von vergangener Woche lehnte die Dienstleistungsgewerkschaft den Teilverkauf zwar grundsätzlich ab, begrüßte aber, dass Vereinbarungen zur Mitbestimmung getroffen worden seien. Zudem forderte Christine Behle vom Verdi-Bundesvorstand mit Blick auf die Übernahme durch MSC einen sogenannten Überleitungstarifvertrag.

Dies stößt vielen Hafenarbeiter*innen übel auf. »Die Mitteilung aus Berlin kommt einer Zustimmung zum Teilverkauf gleich«, kritisiert Petersen den Vorstoß aus Berlin. Der Bundesvorstand handele mit seiner Forderung nach einem Überleitungstarifvertrag entgegen der Beschlüsse seiner Mitglieder und somit entgegen seiner eigenen Satzung, bemängelt sie und unterstreicht ihre ablehnende Haltung mit Blick auf die strategische Partnerschaft zwischen MSC und der Hansestadt.

Doch dass sich der Teilverkauf verhindern lassen wird, ist unwahrscheinlich. Er wird in den nächsten Wochen in der Hamburger Bürgerschaft abgestimmt, wo Grüne und SPD mit 86 von 123 Sitzen eine Mehrheit haben und dem Verkauf wohl zustimmen werden – wenn der politische und betriebliche Druck dagegen nicht deutlich zunehmen.

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