Rückschlag für Rishi Sunak: Ruanda-Plan abgeschmettert

Nach gerichtlichem Stopp für britischen Migrationspakt mit Kigali macht rechter Tory-Flügel Druck

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Ruanda-Pakt ist begraben, und zwar endgültig. Das umstrittene Abschiebeprogramm, das in Großbritannien seit eineinhalb Jahren für heftige Kontroversen sorgt, ist illegal – so urteilte das Supreme Court in London am Mittwochmorgen. Es ist eine schwere Schlappe für Premierminister Rishi Sunak. Ein zentraler Teil seiner Migrationspolitik liegt nunmehr in Trümmern.

Der Entscheid der fünf Richter sei eindeutig gewesen, sagte Lord Reed, der Vorsitzende des Hochgerichts, bei der Urteilsverkündung: »Das Ruanda-Programm ist rechtswidrig.« Es gebe »gute Gründe anzunehmen, dass Asylbewerber Misshandlungen ausgesetzt sind«, wenn sie nach Ruanda abgeschoben würden.

Der kontroverse Pakt mit dem subsaharischen Land war im April 2022 geschlossen worden, als Boris Johnson noch Premierminister war. Das Programm sah vor, dass Menschen, die auf irregulärem Weg nach Großbritannien gelangen, automatisch nach Ruanda deportiert werden. Dort sollte ihr Gesuch geprüft werden; bei einem positiven Bescheid hätten sie in Ruanda bleiben dürfen – die Niederlassung in Großbritannien war jedoch ausgeschlossen.

Ein erster Deportationsflug war im Sommer 2022 in letzter Sekunde vom Europäischen Gericht für Menschenrechte gestoppt worden. Schon diese Niederlage versetzte die Tories in Wut. Manche forderten, dass Großbritannien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten solle. Unterdessen wurde der Ruanda-Plan von Anwälten, die einzelne Asylbewerber vertraten, angefochten. Bereits im Juni 2023 urteilte das Berufungsgericht, dass der Pakt illegal sei.

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Jetzt hat das höchste Gericht im Land dies bestätigt. Insbesondere könne nicht garantiert werden, dass nach Ruanda abgeschobene Asylbewerber nicht in ihr Ursprungsland zurückgeschafft werden, wo ihnen Misshandlung drohen könnte, so sagte Lord Reed. Mit dem Urteil des höchsten Gerichts ist der Ruanda-Plan faktisch tot.

Rishi Sunak gab sich jedoch überraschend unbeirrt. Zwei Stunden nach der Ohrfeige des Obersten Gerichts sagte er im Unterhaus, dass die Richter immerhin Abschiebungen in ein Drittland nicht grundsätzlich für unrechtmäßig erklärt hätten. Er gelobte auch: »Ich bin bereit, unsere heimischen Gesetze zu überprüfen«, wenn das nötig sei, um die Boote mit Migranten auf dem Ärmelkanal zu stoppen. Und wenn »internationale Konventionen« die Pläne der britischen Regierung weiterhin blockieren sollten, dann wäre es durchaus eine Option, »diese Konventionen zu revidieren«.

Wie ernst er es damit meint, ist nicht klar. Der neue Innenminister James Cleverly machte in einer anschließenden Stellungnahme klar, dass der Pakt mit Ruanda ausgebaut werden solle; alle Bedenken, die die britischen Gerichte angemeldet hatten, würden dann aus dem Weg geräumt. Auch hier sind die Details bislang schwammig. Auf jeden Fall bemühte sich die Regierung zu signalisieren, dass sie alles daran setzen wird, den Ruanda-Plan doch noch wiederzubeleben.

Der Grund: An der rechten Flanke der Tory-Fraktion rumort es zunehmend. Sunak ist unter Druck, radikalere Maßnahmen zu ergreifen, um die »Boote zu stoppen«. Besonders offensiv ist Suella Braverman, die am Montag als Innenministerin gefeuert wurde. Sie publizierte am Dienstagabend einen Rücktrittsbrief, der es in sich hat – es ist eine dreiseitige Wuttirade gegen ihren früheren Chef. Sie schreibt etwa: »Jemand muss ehrlich sein: Ihr Plan funktioniert nicht.« Bei einer ganzen Reihe von Versprechen, die Sunak bei seinem Amtsantritt gemacht habe, habe er »offensichtlich und wiederholt versagt«. Sie nennt explizit das Vorhaben, die irreguläre Migration zu stoppen: Sunak habe es versäumt, eine Alternative vorzulegen, falls das Ruanda-Programm nicht durchkommen sollte – etwa, die Europäische Menschenrechtskonvention zu kündigen. Damit habe er sein Versprechen an die Nation »verraten«. Es ist einer der giftigsten Rücktrittsbriefe in der neueren britischen Geschichte.

Dass Braverman mit ihrem Frust nicht allein ist, zeigte sich am Mittwoch nach dem Urteil. Jacob Rees-Mogg, ein führender Brexit-Anhänger und ehemaliger Minister unter Sunak, adressierte schon mal eine Warnung an seinen Ex-Chef: Die Regierung müsse sich jetzt Gedanken machen, wie die Europäische Menschenrechtskonvention umschifft werden kann – andernfalls könnten keine Menschen nach Ruanda deportiert werden. Sunak müsse ein Gesetz erlassen, das dies ermögliche. Noch rabiater will der Tory-Abgeordnete Lee Anderson vorgehen: »Ich finde, wir sollten das Gesetz ignorieren und sie [die Asylbewerber] am gleichen Tag zurückschicken.« Wohlgemerkt: Anderson ist nicht irgendein Hinterbänkler, sondern der stellvertretende Tory-Vorsitzende.

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