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Laurel Halo: Entspannt wegdriften
Musikerin Laurel Halo legt mit »Atlas« ein gutes Ambient-Album vor
Ambient wirkt, wenn er wirkt, beruhigend und zentrierend und deswegen immer auch etwas sedierend. Oder auch sehr. Also im unguten Fall gerne auch mal langweilig, gerade wenn sie, die Musik, einen nicht kriegt. Am schönsten ist es immer, wenn das Flächige sich mit dem leise Angestrengten verbindet, man also nicht eingelullt wird. Musik, in der man schlafen möchte, ohne zu verschwinden, vielleicht auch, um interessantere Träume zu haben als ohne die Musik.
Die amerikanische Musikerin Laurel Halo umschifft drohende Fadheit auf ihren Alben schon mal durch Vielfalt. Jedes klingt anders. Seltsamen Avantpop, Vaporwave (also Musik, die sich anfühlt, als würde man durch einen feuchten, aber warmen Nebel irren), Experimente mit synthetischen Stimmen. Das neue, »Atlas«, verwendet Orchestrales als Klangquelle. Ob das Samples sind oder neu eingespielte Patterns, hab ich bewusst nicht recherchiert. Die Vorstellung, dass sich hier ein echtes (was immer »echt« im Zusammenhang mit der Musik einer Künstlerin, die ausdauernd die Grenze zwischen menschlich und künstlich verwischt) Orchester mit den einhüllenden Klangflächen aus Laurel Halos Laptop verbindet, ist dann doch zu schön.
Apropos schön: Die Tracks aus »Atlas« werden auch deswegen zu keiner Sekunde langweilig, weil sie immer dann, wenn es droht, wohlig zu werden, abbrechen oder eine sanfte Dissonanz ins Geschehen hineinziehen. Das kann man schon am ersten Stück nachvollziehen: »Abandon«. Ein verhaltener Klangfluss, der sachte auf- und niederschwingt, und wenn man nach anderthalb Minuten schon dabei ist, davonzugleiten, schälen sich so wehmütige Streicher aus dem Klangmeer heraus, und ein Klavier setzt Kontrapunkte. Am Ende steigert sich das Ganze, Streicher und Flächen drehen sich ein, zwei Tonlagen höher.
»Atlas« ist ein Ambient-Album ohne Leerlauf, und das ist in einem Genre, das den Leerlauf eigentlich ganz gerne hat, selten. Man kann einfach jedes Stück nehmen, um immer etwas zu entdecken, aber nicht in dem Sinne, dass hier im Hintergrund Spuren untergründig wirken. Alles ist gleichzeitig präsent und im Vordergrund, die Verschiebungen sind sozusagen vertikal und nicht horizontal. Etwa im Fall von »Belleville«: ein den Raum sprenkelndes Klavier, dann auf einmal Muzak-Streicher, nur einen Moment lang, und dann läuft das Stück mit einem Mal aus und verliert sich im Ungefähren.
Trotzdem wirkt »Atlas« im Ganzen nicht fragmentiert. In gewisser Weise zieht sich eine Tonalität durchs ganze Album, gerade das Klavier leistet hier Verbindendes, auch wenn die Melodien, die es spielt, sehr kurz und eher angetäuscht wirken. Drumherum schichtet Laurel Halo melancholisch-abgeklärte Klänge, das Gewicht der Welt, der Albumtitel deutet es an. Alles immer so sehr vom Gestus der Klangforscherin getragen, dass die Spannung immer erhalten bleibt. Eines der schönsten Ambient-Alben 2023, das man zum Wegdriften genauso gut nutzen kann wie zum aufmerksamen Hören.
Laurel Halo: Atlas (Awe/Indigo)
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