Rheinisches Revier: Die letzte Leitentscheidung

Experten geben Ratschläge zum Kohleausstieg im Rheinland

Demonstrant*innen ruhen sich an der Abbruchkante des Tagebaus Hambach aus.
Demonstrant*innen ruhen sich an der Abbruchkante des Tagebaus Hambach aus.

Gut zwei Monate ist es her, dass die schwarz-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Leitentscheidung zum Kohleausstieg 2030 präsentiert hat. Leitentscheidungen gehören zur Braunkohleplanung, in der Vergangenheit sorgten sie immer wieder für politische Kontroversen. Die kürzlich von der Grünen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur vorgelegte Leitentscheidung soll die letzte sein. Mit ihr will die Landesregierung einen »Meilenstein für den Klimasschutz« legen und »Klarheit für die Menschen in der Region« schaffen. Die Leitentscheidung muss im Düsseldorfer Landtag noch bestätigt werden. Ein erster Schritt in diese Richtung war eine Anhörung von Sachverständigen am Mittwoch.

Dabei wurden noch einmal Konflikte deutlich, die den Kohleausstieg wohl dauerhaft begleiten werden. Denn was mit den riesigen Flächen, allein der Tagebau Hambach hat über 6000 Hektar in Anspruch genommen, passieren soll, ist umstritten. Umwelt- und Naturschützer*innen wie der Bund sehen noch starke Verbesserungsbedarfe bei der Leitentscheidung. Dirk Jansen, Geschäftsleiter beim Bund, kritisiert: »Trotz der geplanten Verkleinerung des Braunkohlentagebaus Garzweiler ist die Leitentscheidung kein Meilenstein für den Klimaschutz.« Die geplante Förderung von noch 280 Millionen Tonnen Kohle führe dazu, dass »die 1,5 Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens kaum einzuhalten« sei.

In der Leitentscheidung würden die wasserwirtschaftlichen Langzeitfolgen der Braunkohleförderung klar benannt, das ist aus Jansens Sicht positiv. Es fehle aber an Aussagen dazu, wie die Bergbauschäden »verursachergerecht bewältigt werden können«, es gäbe keine Bewertung sämtlicher Tagebaufolgekosten. Die Frage, wie RWE dafür haftbar gemacht werden kann, werde von der Landesregierung nicht beantwortet. Jansen warnt, dass es »nicht sein« dürfe, dass am Ende die Allgemeinheit die Kosten trägt.

Auch in Fragen des Strukturwandels ist der Bund mit der Leitentscheidung unzufrieden. »Klar ist, dass die Transformation des Rheinischen Reviers zu einer nachhaltigen Region nur gelingen kann, wenn auch die Klimafolgenanpassung stärker berücksichtigt wird«, erklärt Dirk Jansen. Während die Naturschützer*innen beim Strukturwandel vor allem an die Chancen des Rheinlands als ökologischer Modellregion denken, beschäftigen sich Unternehmerverbände und der DGB vor allem damit, wie die Tagebauflächen weiter wirtschaftlich genutzt werden können. Manfred Maresch vom DGB stellte im Landtag klar, dass es um »sichere, tarifgebundene, mitbestimmte Arbeitsplätze« gehe. An vielen Stellen sei man da auf einem »guten Weg«, zeitlich werde es durch den von 2038 auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg aber anspruchsvoll. Deshalb forderte der Gewerkschaftsvertreter mehr Tempo beim Strukturwandel.

Schneller soll es auch nach dem Willen der Industrie- und Handelskammer gehen. Es sei notwendig, Planungs- und Genehmigungsprozesse »zu entschlacken und zu beschleunigen«, hieß es in einer Stellungnahme. Damit überhaupt geplant und genehmigt werden kann, müssten zentrale Flächen im Rheinischen Revier aus der Aufsicht der Bergbaubehörden entlassen werden, forderten Vertreter der Bezirksregierung Köln und der Stadt Bedburg. Erst dann habe man Zugriff auf diese Flächen und könne ihre Zukunft planen. Eine weitere Forderung, damit es bei der Planung nicht klemmt, mehr qualifiziertes Personal in allen betroffenen Behörden.

Flächen, auf denen viel passieren könnte, sind die Dörfer am Rand des Tagebaus Garzweiler 2. Ein Vertreter der Bezirksregierung Köln kritisierte, dass es in der Leitentscheidung viele »unverbindliche Absichtserklärungen« gäbe, diese erschwerten die Planung. Norbert Winzen, der in Keyenberg direkt am Tagebau lebt, kritisierte die Befristung der laufenden Umsiedlungsverfahren bis zum 30. Juni 2026. Bis dahin müssen sich Bewohner*innen der Orte entscheiden, wollen sie wegziehen, in den Dörfern bleiben oder in ihre alten Häuser zurückkehren und diese von RWE zurückkaufen. Norbert Winzen, der im Verein »Dorfgemeinschaft Kultur Energie« aktiv ist, findet, das ist zu wenig Zeit. Menschen müssten sich, etwa wegen eines Notarvertrags, bis 2025 entscheiden, ob sie wieder in ihren Dörfern leben wollen. Bis dahin sei aber nicht abzusehen, wie die Dörfer sich entwickeln. Winzen fordert Zeit bis 2028 und einen größeren Kreis möglicher Käufer*innen von zentralen Orten in den Dörfern, wie Kirchen und Gaststätten. Die Landesregierung könnte diese Vorschläge aufnehmen.

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