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Gemüse sorgt für Vielfalt im Darm
Mikroben aus Obst und Gemüse verbessern das Darmmikrobiom und wirken sich gesundheitsfördernd aus
Der Verzehr von Obst und Gemüse wirkt sich positiv auf die funktionelle Vielfalt der den Darm besiedelnden Mikroorganismen – der Darmmikrobiota – aus. Begünstigt wird dies durch häufigen Verzehr möglichst vielfältiger Gemüsearten. Die Vielfalt der Darmmikrobiota wiederum ist entscheidend für die menschliche Gesundheit. Diesen Zusammenhang belegten Wisnu Adi Wicaksono und Gabriele Berg in einer Metastudie am Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz, welche im Oktober im Journal »Gut Microbes« veröffentlicht wurde.
Mikroorganismen pflanzlichen Ursprungs verfügen über probiotische und gesundheitsfördernde Eigenschaften. Bakterien wie Enterobacterales, Burkholderiales und Lactobacillales (Milchsäurebakterien) kommen sowohl im menschlichen Mikrobiom als auch im Mikrobiom der Umwelt vor, denn sie besiedeln sowohl frisches Obst und Gemüse als auch den menschlichen Darm. (Probiotische Eigenschaften bedeutet: Mit Milchsäurebakterien versehen, die den Aufbau der Darmflora verbessern sollen. Unbeschadet von Magen- und Gallensäure kommen sie durch den Magen, um im Darm ihre Wirkung zu entfalten.)
Ein Mikrobiom umfasst alle Mikroorganismen, die einen Makroorganismus, also Mensch, Tier oder Pflanze, oder einen Teilbereich davon besiedeln, wie zum Beispiel den Darm oder eine Frucht.
Zunächst erstellte das Team einen Katalog mit Mikrobiomdaten aus Früchten und Gemüse, um die Bakterien zuordnen zu können. Diese glichen sie mit öffentlich verfügbaren Daten aus zwei Studien zur Darmflora ab. Anhand einer Langzeitstudie analysierten die Forscher die Darmflora von Babys, aber auch von Erwachsenen – in beiden Fällen waren Daten zur Nahrungsaufnahme der Probanden verfügbar. Von insgesamt rund 2500 Stuhlproben enthielt jede zwischen ein und zehn Millionen Sequenzen – ausgewertet wurden mehrere Milliarden Sequenzen. Anhand dieses umfangreichen Datensatzes wiesen die Wissenschaftler Obst- und Gemüse-Mikroflora im Darm nach.
Das Ergebnis bestätigt die Vermutung, dass Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander verknüpft sind, erklären die Autoren. Sie vermuten, dass gesundheitsfördernde Bakterien für die Produktion von Vitaminen und kurzkettigen Fettsäuren im Darm verantwortlich sind. Daher wirkt sich der Verzehr von Obst und Gemüse positiv auf die funktionelle Vielfalt der Darmmikrobiota aus.
Einfluss in der frühen Kindheit
Wissenschaftler nehmen an, dass insbesondere in den ersten drei Lebensjahren die Entwicklung des Immunsystems durch den Verzehr von Obst und Gemüse positiv beeinflusst wird, da sich in dieser Zeit das Darmmikrobiom entwickelt. Aber auch danach fördert eine hohe Diversität an Darmbakterien die Gesundheit, denn sie macht den Organismus widerstandsfähiger und resilienter, erklärt Institutsleiterin Gabriele Berg, die im Rahmen einer Folgestudie gemeinsam in einem internationalen Team bereits an einer Interventionsstudie arbeitet. Hierfür müssen Menschen auf drei Kontinenten in einem bestimmten Zeitraum das Gleiche essen, anschließend analysieren die Wissenschaftler deren Ausscheidungen.
Großen Einfluss auf Lebensmittel nehmen darüber hinaus Landwirtschaft, weiterverarbeitende Betriebe, aber auch Lagerung und Verarbeitung, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. Weil Erde und Dünger sich ebenso wie Pflanzenschutzmittel auf das pflanzliche Mikrobiom auswirken, wird frisches Obst und Gemüse immer am gesündesten sein, ist sie überzeugt. Jedes Obst und Gemüse habe ein einzigartiges Mikrobiom, auf dessen Basis sich sogar eine personalisierte Ernährung zusammenstellen lässt.
Positive Effekte der Fermentation
Auch fermentierte Lebensmittel erhöhen die Vielfalt der Darmflora, wie eine Studie an der Stanford-Universität von 2021 gezeigt hat. Bei der Fermentation produzieren Bakterien chemische Substanzen, die wichtig für den Darm sind. Das wiederum reduziert das Risiko einer Darmkrebserkrankung. Ein wichtiger Bestandteil scheint die Buttersäure zu sein, weil sie die DNA in den Stammzellen stabilisiert. So könnten etwa entzündliche Reaktionen, wie sie bei rheumatischen Erkrankungen auftreten, reguliert werden.
Zum Fermentieren eignet sich besonders jenes Gemüse, das nicht zu weich ist, wie etwa Kohl, Wurzelgemüse, Bohnen, Rote Bete, Kürbis oder Paprika. Weicheres Gemüse könnte beim Fermentieren zerfallen.
In Ländern, in denen viel fermentiert wird, besitzen die Menschen eine auffällig gute Darmgesundheit, wie Wissenschaftler herausfanden. Beliebte Produkte sind Naturjoghurt, Kefir und Sauerkraut. Letzteres wird über die so genannte Milchsäurefermentation hergestellt. Das Kraut enthält von Natur aus die Bakterien, die dafür nötig sind und die das Essen quasi vorverdauen. Indem den Lebensmitteln der Sauerstoff gezielt entzogen und Salz hinzugegeben wird, können sich keine »schlechten« Bakterien vermehren. Die Milchsäurebakterien fressen den Zucker und die Stärke im Kohl und wandeln sie in Milchsäure um, weshalb der pH-Wert sinkt – das funktioniert ohne Sauerstoff. Das Endprodukt wird sauer und bleibt lange genießbar – mit vielen Vitaminen wie C, B2, B12, Folsäure und anderen Inhaltsstoffen.
Nicht nur Sauerkraut, auch die japanische Miso-Paste oder das koreanische Gericht Kimchi basieren auf dieser Art des Gärens. Ernährungswissenschaftler empfehlen, täglich fermentierte Lebensmittel zu verzehren – vorzugsweise aus biologischer Erzeugung, denn diese enthalten mehr Bakterien, die für das Fermentieren wichtig sind.
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