Harte Linie gegen prokurdische Demo

Tausende demonstrierten in Berlin für eine Aufhebung des PKK-Verbots und gegen Erdoğan-Visite

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 4 Min.

Laute Sprechchöre in mehreren Sprachen waren am Samstagnachmittag rund um das Humboldtforum in Berlin zu hören: »Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen« oder »Hoch die internationale Solidarität«. Kurz zuvor war eine Demonstration unter dem Motto »PKK-Verbot aufheben – Demokratie stärken« zu Ende gegangen, zu der Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. Fast 30 Jahre nach dem Verbot der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in Deutschland verlangten nach Veranstalterangaben 6000 Menschen dessen Aufhebung.

»Die PKK hätte nie verboten werden sollen. Das war ein Zugeständnis an die Türkei«, sagt ein älterer Demonstrant. Ihn empört, dass das Verbot auch 30 Jahre später noch aufrechterhalten wird. »Die PKK hat längst erklärt, dass sie keinen eigenen Staat anstrebt. Sie ist Teil der linken Bewegung in Kurdistan und der Türkei, und sie kämpft gegen den Islamismus«, betont der Mann. Eine Demoteilnehmerin wiederum äußert mit Blick auf den Besuch von Recep Tayyip Erdoğan am Freitag in Berlin Unverständnis darüber, dass »dem türkischen Präsidenten, der aus seiner islamistischen Agenda kein Hehl macht, sogar noch der rote Teppich ausgerollt wird«.

Auf vielen Schildern wurden die Politik des türkischen Staatschefs und der rechten Regierung in Ankara, aber auch das Verhalten der Bundesregierung kritisiert. Redner*innen verwiesen auf die zahlreichen Gerichtsverfahren, in denen angebliche Mitglieder und Unterstützer*innen der PKK, aber auch anderer linker türkischer Organisationen mit Gerichtsverfahren überzogen und zu oft hohen Haftstrafen verurteilt werden.

Die Demonstration war von Auseinandersetzungen mit der Polizei geprägt, die vor der Auftaktkundgebung am Oranienplatz Taschen- und Ausweiskontrollen vornahm, laut Demo-Beobachtern vor allem bei »kurdisch aussehenden Menschen«. Während der Kundgebung nahmen Beamte mehrmals Demonstrant*innen ohne ersichtlichen Grund fest. Auf der Abschlusskundgebung in der Nähe des Außenministeriums stürmten Polizisten mit Knüppeln in die Menge, nach Polizeiangaben, um das Zeigen »verfassungsfeindlicher Symbole« zu unterbinden.

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»Wir haben große Anstrengungen unternommen, um friedlich gegen das PKK-Betätigungsverbot in Deutschland und den Besuch Erdoğans zu demonstrieren. Doch die Polizeiführung wollte offensichtlich Gewaltbilder produzieren, um unsere Forderungen zu delegitimieren«, heißt es in einer ersten Stellungnahme des Organisationsteams. Die Polizei sprach demgegenüber von einer weitgehend friedlichen Demonstration. Ein Demonstrant wurde nach Polizeiangaben wegen des Vorwurfs gefährlicher Körperverletzung festgenommen. Er soll einen Polizisten mit einer Fahnenstange geschlagen haben.

Erdoğans Visite war von 2800 Polizisten auch aus anderen Bundesländern abgesichert worden. In weiträumig abgesperrten Arealen rund um das Kanzleramt, den Amtssitz des Bundespräsidenten sowie die türkische Botschaft waren Demonstrationen ebenso verboten wie das Abstellen von Autos.

Der türkische Staatschef traf am Freitagnachmittag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und anschließend Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er reiste noch am Abend wieder ab. Sein Besuch war vor allem deshalb umstritten, weil er die Ermordung von 1200 israelischen Zivilisten beim Terrorangriff am 7. Oktober zwar verurteilt, die dafür verantwortliche Hamas aber später als »Befreiungsorganisation« bezeichnet hatte. Israel hatte er zudem einen »Terrorstaat« genannt, der einen »Genozid« an den Palästinensern verübe.

Während einer Pressekonferenz mit Scholz vermied Erdoğan eine weitere Eskalation, unterstellte Israel aber, »Geiseln« zu halten. Auch am Samstag sprach er in der Türkei von »10 000 von Israel genommenen Geiseln« und forderte Deutschland dazu auf, sich für deren Befreiung einzusetzen. Worauf sich Erdoğan damit bezog, war unklar. Laut den Vereinten Nationen waren im Juli dieses Jahres 1500 Palästinenser in israelischen Gefängnissen inhaftiert.

Scholz hatte Erdoğans Verbalattacken gegen Israel schon vor dessen Besuch zurückgewiesen. In der Pressekonferenz sagte er lediglich: »Dass wir zu dem Konflikt sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, ist ja kein Geheimnis.« Erdoğan und Scholz stimmten darin überein, dass kurzfristig humanitäre Feuerpausen zur Versorgung der Zivilbevölkerung und langfristig eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem friedlichen Nebeneinander von Israelis und Palästinensern nötig seien.

Bei einem gemeinsamen Abendessen mit Erdoğan forderte Scholz später nach Angaben aus Regierungskreisen eine verstärkte Rückführung abgelehnter Asylbewerber in die Türkei.

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