Mehr digitale Polizeikooperation in Schengen-Staaten

Abfrage von Gesichtsbildern und Ermittlungsakten vereinbart

Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben sich am Montagabend mit dem Parlament auf eine neue Verordnung über den automatisierten Datenaustausch unter Polizei- und Zollbehörden geeinigt. Im Mittelpunkt stehen Gesichtsbilder: So kann eine Polizeibehörde mithilfe von Gesichtserkennung erfahren, ob zu einer unbekannten Person in anderen Ländern Informationen vorliegen. Die Fotos stammen unter anderem aus erkennungsdienstlichen Behandlungen oder aus Asylanträgen.

Abfragen sollen zur »Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung von Straftaten«, zur Suche nach vermissten Personen, zur Identifizierung menschlicher Überreste und bei Naturkatastrophen möglich sein. Voraussetzung ist, dass das nationale Recht eine solche Suche auch in eigenen Datenbanken erlauben würde.

Hintergrund der digitalen Polizeikooperation ist der sogenannte Vertrag von Prüm, den sieben EU-Staaten vor 18 Jahren in der Eifel-Stadt auf Initiative des damaligen deutschen Innenministers Wolfgang Schäuble (CSU) unterzeichnet hatten. Zwei Jahre später wurde dieser Prüm-Vertrag in den Rechtsrahmen der EU übernommen. Die Schengen-Staaten Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein sind ebenfalls beteiligt. Trotz Brexit nimmt auch Großbritannien weiterhin an der digitalen Polizeikooperation teil. Auch die EU-Polizeiagentur Europol soll nun die nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten durchsuchen dürfen.

Zum neuen Prüm-Rahmen soll außerdem auch die Möglichkeit zum Austausch von polizeilichen Ermittlungsakten gehören. Auf die Einführung eines solchen Systems haben vor allem deutsche Regierungen seit den Nullerjahren immer wieder gedrängt. In der neuen Verordnung soll dies nun als »Europäischer Kriminalaktennachweis« (EPRIS) erfolgen. Für die technische Umsetzung hatte das deutsche Bundeskriminalamt bereits zwei Pilotprojekte geleitet.

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Im Gegensatz zur Abfrage von Gesichtsbildern soll das EPRIS nach dem Treffer-/Kein-Treffer-Prinzip funktionieren. Zunächst kann eine Polizeibehörde anfragen, ob in den polizeilichen Datenbanken eines anderen Staates Informationen zu einer Person vorliegen. Gibt es dazu eine positive Rückmeldung, können sogenannte »Kerndaten« angefordert werden. Jedoch sollen die Prüm-Staaten entscheiden können, ob sie diesem System beitreten wollen. Die EU-Kommission hatte ursprünglich eine verpflichtende Teilnahme vorgeschlagen.

Der nun erfolgte Beschluss zur Ausweitung des Prüm-Systems auf Gesichtsbilder setzt jene Staaten unter Druck, die keine vernetzbaren Polizeidatenbanken mit Lichtbildern haben. Laut einer Studie der EU-Kommission von 2021 verfügten nur die Hälfte aller Prüm-Teilnehmer über eine solche Datei. In Ländern wie Portugal oder Irland werden derzeit Gesetze beschlossen und umgesetzt, um die europaweite Gesichtserkennung überhaupt erst zu ermöglichen.

»Europaweit vernetzte Gesichtsdatenbanken ermöglichen biometrische Massenüberwachung im öffentlichen Raum«, kritisiert der Europaabgeordnete der Piratenpartei, Patrick Breyer, die Einigung vom Montag gegenüber dem »nd«. Das werde zu unzähligen Festnahmen Unschuldiger und Falschverdächtigungen führen. Zunächst müssen aber der Rat und das Parlament die Verordnung für ein »Prüm II« noch offiziell beschließen. Die Umsetzung soll bis spätestens 2027 erfolgen. Die Kosten des Systems gibt die Kommission mit rund 93 Millionen Euro an.

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