Krankenhausreform: Bundesländer spielen auf Zeit

Die Internisten sind besorgt: Bei der Krankenhausreform stehen viele Signale auf Halt

Die Krankenhausreform scheint langsam endgültig festgefahren: Am vergangenen Freitag verwies der Bundesrat das Krankenhaustransparenzgesetz zurück in den Vermittlungsausschuss. Die Positionen zwischen Bund und Ländern scheinen verhärtet wie kaum zuvor. Eigentlich sollte das Gesetz die Voraussetzungen für »volle Transparenz« schaffen – und den Patienten ermöglichen, einfach und ohne lange Recherchen herauszufinden, in welcher Klinik in ihrer Umgebung welche Leistungen berechtigt und in guter Qualität angeboten werden. Im Streit um diese neue Klarheit hatten die Krankenhäuser die eigenen Qualitätsberichte (in der Regel mehrere Hundert Seiten Text) angeführt oder einzelne Klinikverzeichnisse, auch zu bestimmten medizinischen Teilgebieten. Eigentlich hatte es zum Krankenhaustransparenzgesetz jedoch schon im Sommer eine konsentierte Fassung gegeben, der immerhin 14 Bundesländer zustimmten.

Das Gesetz war jedoch, wie häufig, auch in diesem Fall ein Omnibus: Es enthält Neuregelungen zu Themen, die man dort eher nicht vermutet. Das löste unter anderem vonseiten der Krankenhäuser heftigen Unmut aus. Allerdings war es ein angekündigter Omnibus, der nämlich auch Liquiditätshilfen für die Krankenhäuser in Höhe von 7,7 Milliarden Euro transportieren sollte.

Wenn das Gesetz jetzt neu verhandelt wird, kommen jedoch die zusätzlichen Erschwernisse für den Gesamthaushalt des Bundes mit ins Spiel, und das kann heißen, dass die Krankenhäuser in Zukunft nur mit weniger Geld oder überhaupt nicht mit zusätzlichen Liquiditätshilfen rechnen können. Das würde für nicht wenige Kliniken das sichere Aus bedeuten. Ein Teil der jetzt ungewissen Gelder aus dem Gesetz sollen den Häusern aus der Erhöhung der Landesbasisfallwerte ohnehin zustehen. Diese Werte werden in den Bundesländern jährlich zwischen Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft ausgehandelt.

Die Bundesländer halten auch ein Gesetz auf, das eine beschleunigte Auszahlung der Pflegebudgets vorsieht – und das, obwohl die Rufe der Krankenhäuser nach einer Sicherung ihrer Solvenz immer lauter werden. Einmal davon abgesehen, dass auch die neue Transparenz bei Qualitätsunterschieden verzögert wird.

Schon am letzten Donnerstag hatten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern in ihrer letzten Beratungsrunde den Referentenentwurf zum Kern der Reform, also zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz in das neue Jahr verschoben. Mitte Januar solle eine »Grundsatzeinigung« zustande kommen und das Gesetzgebungsverfahren folgen.

Zum Verlauf der Reform nehmen nicht nur Kassenverbände, Krankenhausorganisationen und Politiker Stellung. Auch ärztliche Berufsverbände und die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften reden mit. Eine der größten ist hier die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die in diesen Wochen ihr 30 000. Mitglied begrüßen konnte. Rein fachlich sind die Ärzte für innere Medizin in mehreren Teilgebieten unterwegs, ihre Schwerpunkte können in der Infektiologie, in der Gefäß-, Lungen- oder Herzmedizin liegen, um nur einige zu nennen.

Für die DGIM hatte deren Generalsekretär Georg Ertl den Stand der Krankenhausreform am Dienstag in Wiesbaden bewertet. »Es wird kritisch für unsere Fächer und Patienten«, befürchtet der Internist und Kardiologe aus Würzburg, auch wenn er die Ziele der Reform für richtig hält. Denn Entökonomisierung und damit Kostensenkung, Sicherung der Qualität, Reduzierung der Bürokratie und auch die Stabilisierung der Daseinsfürsorge in Form der Krankenhäuser sind Ideen, für die sich die DGIM schon länger einsetzt, unter anderem was die Sorge um die Existenz der kleineren Kliniken betrifft. »Unsere älteren, mehrfach erkrankten Patienten sind möglichst ortsnah zu versorgen. Nicht alles ist ambulant möglich«, so Ertl. Er wünscht sich, dass die jetzt nötigen Gesetze auch in der Bevölkerung akzeptiert werden. In Sachen Ambulantisierung setzt die DGIM eher auf Praxen an den Krankenhäusern, die dann auch Zugriff auf Klinikressourcen hätten. Große ambulante Einrichtungen, wie in der Reform angedacht, sieht Ertl eher mit Skepsis.

Anderes an der Reform in ihrem jetzigen Stadium scheint noch unfertig. Die Arbeit der Krankenhäuser soll künftig nach Leistungsgruppen strukturiert werden. Nur wer bestimmte Voraussetzungen sichert, darf bestimmte medizinische Leistungen anbieten. In der Beschreibung der Leistungsgruppen fehlen aktuell zum Beispiel die Assistenzkräfte. »Drei Infektiologen können keine Infektiologie betreiben, das funktioniert nur mit den Kollengen in der Facharztweiterbildung«, nennt Ertl ein Beispiel. Über die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften wurde diese Problematik auch an das Bundesgesundheitsministerium weitergeleitet: »Das war da vorher noch nicht aufgefallen.«

Bei der DGIM-Pressekonferenz kam auch Mitglied Nummer 30 000 zu Wort. Sebastian Pointner aus Kiel liebt seinen Beruf, und er möchte ihn bis zur Rente ausüben, »wenn die Umstände es erlauben«. In Sachen Krankenhausreform hofft der Arzt in Weiterbildung, dass sich etwas ändert: »Es ist verstanden worden, dass die Fallpauschalen Fehlanreize setzen.« Die Arbeitsverdichtung spürt auch er, zudem den Verlust an Empathie seitens der Ärzte. Diskutiert werden müsse über begrenzte Ressourcen: Der Anteil älterer Mediziner wächst, zugleich ist die Hälfte aller Krankenhauspatienten über 65 Jahre alt. Die Erwartungen an die Reform sind also weiterhin hoch, auch vonseiten der Beschäftigten. Der Eindruck besteht jedoch, so fasst es Internist Ertl zusammen, dass »aus Eitelkeit oder politischen Gründen jetzt behauptet wird, es gehe gar nichts«. Für die nötige Reform sei das kein Weg.

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