- Berlin
- Stadtentwicklung
Berliner Bauordnung: Fürs Klima nicht zuständig
Die schwarz-rote Koalition bringt die Novelle der Bauordnung auf den Weg – doch Umweltschutz soll an anderer Stelle stattfinden
»Wir werden weiterhin hässlichen Neubau durch Baulöwen sehen«, prophezeit Katalin Gennburg am Montag im Abgeordnetenhaus. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion spricht von einer Novelle, die weit hinter den Erwartungen der Fachverbände zurückbleibe und in erster Linie »mehr Beinfreiheit« für Investoren schaffe. Gennburg ist sich sicher: Kein einziges Problem wird die beschlossene Änderung der Bauordnung in der Haupstadt lösen.
Bevor CDU und SPD ihre Gesetzesnovelle gemeinsam durch den Bauausschuss bringen, hagelt es Kritik aus der Berliner Opposition. Gerade auf die Herausforderungen des Klimawandels gehe der Senat mit seiner neuen Bauordnung letztlich nicht ein. Überflüssigen Abrissen werde kein Einhalt geboten, die Nutzung nachhaltiger Ressourcen und Baustoffe nicht gefördert, das Berliner Stadtgrün nicht geschützt.
»Eine aufheizende Stadt braucht genau das«, sagt Gennburg. Nicht die Bewahrung von Freiräumen stehe notwendigen Bauprojekten im Weg, sondern die Profitgier einzelner Unternehmen. Wie auch andernorts müsse Berlin auf kommunale Baukapazitäten in Eigenregie setzen, so die Linke-Abgeordnete. »Allein in der Leipziger Straße stehen zwei bis drei Hotels in bester Lage leer. Warum leistet sich das diese Stadt?«
Ersin Nas, mietenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hält dagegen: »Diese Koalition hat sich vorgenommen, nicht nur zu versprechen, sondern zu handeln.« Gennburg hingegen wolle Bauprojekten generell den Kampf ansagen. Ökologische Aspekte, so Nas, würden durchaus in Betracht gezogen, Dachbegrünung und viele andere Maßnahmen durch die Novelle erleichtert. »Der Beschluss heute ist ein erster Aufschlag«, sagt der Abgeordnete.
Ganz ähnlich argumentiert Bausenator Christian Gaebler. »Die Bauordnung ist erst mal für Gefahrenabwehr zuständig«, verteidigt der SPD-Politiker die Novelle. Das Gesetz sei nicht dafür gemacht, Architekt*innen als Leitfaden für soziales und ökologisches Bauen zu dienen. Würde man die Änderungsvorschläge der Linken und Grünen umsetzen, würde die Bauordnung auf doppelten Umfang anschwellen und für überflüssige Mehrarbeit auf den Ämtern sorgen.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik - aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin - ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
»Wenn Sie sagen, Sie wollen eigentlich gar nichts mehr bauen, dann passt das nicht zu dem Anliegen, dass Sie Flüchtlinge und Obdachlose unterbringen wollen«, erwidert Gaebler Gennburg. Der Klimawandel betreffe etliche Fachbereiche und deren Fachgesetze, in denen der Senat weitere Anpassungen vornehmen wolle. »Es muss nicht alles in der Bauordnung stehen, was wichtig ist für die Gesellschaft.«
Den drohenden Folgen der Klimakrise entgegenzuwirken, falle doch unter Gefahrenabwehr, argumentieren hingegen Linke und Grüne. Die Erfahrung zeige außerdem, dass sich Fachgesetze gegen die Bauordnung meist nicht durchsetzen, so Gennburg. »Wird dann der Schutz des Eigentums nicht immer über den Naturschutz gestellt?« Bausenator Gaebler verneint: Eine solche Bevorzugung existiere nicht.
Für den endgültigen Beschluss braucht es nur noch die als sicher geltende Zustimmung des Abgeordnetenhauses. Der Berliner Naturschutzbund BUND hatte sich bereits am Sonntag enttäuscht gezeigt. »Die Koalition hat eine historische Chance verpasst, Natur-, Arten und Klimaschutz beim Bauen mitzudenken«, teilte Dirk Schäuble, BUND-Referent für Artenschutz, mit. Eine weitsichtige und nachhaltige Planung sei anscheinend nicht gewollt. »Die Lebensräume für wilde Tiere und Pflanzen werden weiter schrumpfen, die Stadt sich in Hitzesommern noch weiter aufheizen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.