Kolumbiens Kohlemonster

Deutsche Finanzinstitute profitieren von Menschenrechtsverletzungen beim Ressourcenabbau

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie andere vor ihr musste auch die kolumbianische Wayúu-Gemeinde Chancleta der größten Kohlemine Lateinamerikas weichen. Der Tagebau mit dem Namen Cerrejón erstreckt sich über eine Fläche von 69 000 Hektar und wird in den Dörfern der Region oft nur »das Monster« genannt. Auch Deutschland importiert Steinkohle aus der Mine: Im Jahr 2022 haben sich die Importe von RWE, Steag und anderen Unternehmen auf nahezu 7,3 Millionen Tonnen vervierfacht.

Durch die Zwangsumsiedlung der Gemeinde Chancleta hat sich ihre Lage massiv verschlechtert, kritisiert Greylis Pinto. Gemeinsam zwei anderen Frauen ist die Sprecherin der indigenen Gemeinde auf Europareise. Bei Besuchen in Berlin, Zürich und Brüssel machen sie auf die verheerende Situation rund um die Megamine in Kolumbiens Norden, nahe der Grenze zu Venezuela aufmerksam.

»Unsere Situation ist erbärmlich. Wir leben jetzt weit weg von unserer Heimat, wo wir alles hatten, vor allem Nahrungsmittelsicherheit. Jetzt haben wir gar nichts: kein Wasser, zu wenig Nahrung, keine Gesundheit und keine Jobs«, klagt Pinto. Es geht ihr auch um die Verantwortung deutscher Importeure für die dramatische Umwelt- und Menschenrechtssituation in der Region Guajira.

Die zählt trotz Milliarden-Einnahmen aus der Kohle zu den ärmsten des Landes. Davon ist die indigene Wayúu-Bevölkerung besonders betroffen. Denn mehrere Dörfer wie Chancleta wurden in Gebiete umgesiedelt, in denen es keine guten Anbaubedingungen für Grundnahrungsmittel gibt und nicht genügend Wasser zur Verfügung steht. Das hat die Armut und Perspektivlosigkeit der indigenen Bevölkerung vergrößert. Für sie stellen daher die riesigen Abraumhalden von Cerrejón Monumente der Zerstörung dar.

Laut Betreiber der Mine sind es Monumente eines verantwortungsvollen Bergbaus. Seit 2021 wird die Mine durch den Schweizer Megakonzern Glencore betrieben, der allein im vergangenen Jahr einen Umsatz von 265 Milliarden US-Dollar verbuchen konnte. In einem jährlich aufwendig produzierten und veröffentlichten Bericht stellt der Konzern seine Nachhaltigkeitsinitiativen vor, die progressiv wirken.

Doch haben sie nur punktuellen Charakter, kritisieren etwa die Menschenrechtsorganisation Cinep und die Umweltorganisation Censat Agua Vive. »Glencore hat in einer ohnehin wasserarmen Region den Bruno-Fluss umgeleitet, nur um die Mine Cerrejón auszubauen, und das wenige verbliebene Wasser verschmutzt«, werfen sie dem Unternehmen in einer jüngst erschienenen Studie unter dem Titel »Does Glencore always win?« vor.

Daraus geht auch hervor, dass der Schweizer Rohwaren-Konzern die kolumbianische Regierung mit mehreren Klagen vor internationalen Schiedsgerichten unter Druck gesetzt haben soll. Glencore verletze dabei nicht nur in Kolumbien, sondern auch im benachbarten Peru Menschen- und Umweltrechte, wie die Cinep-Referentin Carolina Matiz betont, die gemeinsam mit Pinto durch Europa reist.

In dem Bericht geht es auch um die Rolle von Banken, die durch Fonds und Kredite den intransparenten Konzern unterstützen. Erwähnt werden auch deutsche Finanzinstitute: Die Deutsche Bank, die Commerzbank, die DZ-Bank, die Deka-Gruppe und die Allianz hielten im Juni 2023 über 530 Millionen US-Dollar an Anleihen und Aktien an Glencore. Sie vergaben zudem im Zeitraum von 2016 bis Mitte 2023 fast 5,8 Milliarden US-Dollar an Krediten und Garantien an das Schweizer Unternehmen. Das belegen die Recherchen, die auch von der Menschenrechtsorganisation Oxfam unterstützt wurden.

Alarmierend ist zudem die Situation der Minderjährigen in der Region. Immer wieder sterben dort Kinder an Wasser- und Nahrungsmittelmangel. Die Zahl belaufe sich auf 5000 tote Kinder in den vergangenen zehn Jahren, betont die Dritte im Bunde, Tatiana Cuenca von der Umweltschutzorganisation Censat Agua Vida. Und sie verweist darauf, dass die Abnehmer der Kohle eine Mitverantwortung tragen.

Dabei sind die Importeure der Ressource wegen des seit dem 1. Januar 2023 geltenden Lieferkettengesetzes eigentlich verpflichtet, Menschenrechte in den globalen Lieferketten einzuhalten. Das gilt zwar bisher nicht für den Finanzsektor, für Unternehmen, die die Kohle importieren, allerdings schon.

Im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, wo kolumbianische Nichtregierungsorganisationen mehrfach auf die Probleme im Kohlesektor hingewiesen haben, ist das bekannt. Doch unternommen wird bislang nichts. Auch deshalb treffen sich die drei Frauen aus Kolumbien mit Abgeordneten und Ministeriumsmitarbeitern in Berlin und Brüssel. Sie befürchten, dass die Regionen mit den Altlasten des Kohleabbaus allein gelassen werden, sobald die Konzessionen und Kohleimporte auslaufen. Das sei bereits in der Förderregion Cesar geschehen, kritisiert etwa die Umweltorganisation Urgewald.

Um das zu verhindern und die Konzerne in die Pflicht zu nehmen, könnte die seit Juni dieses Jahres bestehende Klimapartnerschaft zwischen Bogotá und Berlin als Ansatzpunkt dienen.

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