Klimaschutz-Index: Deutschland ist »mittelmäßig«

Trotz Erneuerbaren-Booms kommt die Welt den Klimazielen kaum näher

  • Joachim Wille
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Klimakrise spitzt sich zu, die Belege sind gerade in diesem Jahr unübersehbar: von den dramatisch erwärmten Ozeanen über die Waldbrand-Infernos rund ums Mittelmeer bis zu den aktuellen Überschwemmungskatastrophen in Ostafrika, von denen rund drei Millionen Menschen betroffen sind. Die Klimapolitik aber tritt weltweit auf der Stelle. Fortschritte sind nur bei wenigen Staaten auszumachen, wie die aktuelle Auswertung im »Klimaschutz-Index 2024« der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zeigt. Besonders kritisch:
China, mittlerweile der größte CO2-Emittent, kam in dem Ranking nicht voran, und die Nummer zwei bei den Treibhausgasemissionen, die USA, fiel sogar zurück.

Germanwatch konstatiert, dass die Regierungen in aller Welt den Klimaschutz in den letzten Jahren zunehmend auf ihre Agenda gesetzt haben. Lichtblick sei auch, dass in vielen Ländern die Nutzung der erneuerbaren Energien boomt. »Doch das reicht noch nicht aus.« Der Wettlauf gegen die Zeit gehe weiter, da die weltweiten Emissionen bis 2030 nahezu halbiert werden müssten, um das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Weltklimavertrag noch in Reichweite zu halten. Doch hierzu wären drastische Verbesserungen in den Klimapolitiken nötig. In dem Ranking bleiben daher die ersten drei Plätze unbesetzt, da kein einziges der bewerteten Länder Maßnahmen ergriffen habe, die einem 1,5-Grad-Pfad entsprechen. Am relativ besten schnitten auf den Plätzen vier bis sechs Dänemark, Estland und die Philippinen ab.

Für den Klimaschutz-Index hat Germanwatch zusammen mit dem New Climate Institute und der NGO Climate Action Network International (CAN) die Klimapolitik von 63 Ländern und der Europäischen Union analysiert. Diese sind zusammen für mehr als 90 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Der Index wurde am Freitag auf dem UN-Klimagipfel in Dubai vorgestellt.

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Germanwatch-Experte Jan Burck erläuterte, einige Länder schnitten in einzelnen Kategorien recht gut ab, aber kein Land sei durchgängig mit einer »sehr hohen« oder »hohen« Leistung bewertet worden. »Der Durchschnitt reicht einfach nicht aus für einen Weg zu 1,5 Grad.« Laut Niklas Höhne vom New Climate Institute sind derzeit zwei konkurrierende Entwicklungen festzustellen: einerseits besagter Boom der Öko-Energien, andererseits eine Verlangsamung der Klimapolitik im Allgemeinen. »Zum ersten Mal rangiert kein einziges Land in der Kategorie Klimapolitik auf einem ›hohen‹ Niveau.« So seien selbst beim Vorreiter Dänemark die Klimaschutzmaßnahmen seit den nationalen Wahlen im Oktober 2022 »fast zum Stillstand« gekommen.

Der größte CO2-Emittent China stagniert auf dem 51. Platz, also in der Gruppe der Länder mit den niedrigsten Werten. Das Land puscht zwar die Erneuerbaren stark und ergreift Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, doch es gehört laut Index auch zu den neun Ländern, die zusammen für 90 Prozent der weltweiten Kohleproduktion verantwortlich sind. Außerdem plane Peking, die Erdgasproduktion bis 2030 weiter zu steigern. Das schlechte Abschneiden USA (Platz 57) – trotz des »Inflation Reduction Act« der Biden-Regierung mit seinen Mega-Investitionen in erneuerbare Energien – liegt Germanwatch zufolge daran, dass konkretere Umsetzungsmaßnahmen in anderen Sektoren noch fehlen.

Da die G20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer alleine für rund 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, kommt es auf sie besonders an. Von ihnen schneiden nur Indien (7. Platz), Deutschland (14.) und die EU insgesamt (16.) noch halbwegs gut ab. 15 der 20 erhalten hier ein »niedrig« oder »sehr niedrig«, darunter Kanada (62.), Russland (63.), Südkorea (64.) und Saudi-Arabien (67.). Immerhin hat sich mit Brasilien ein wichtiges G20-Land deutlich verbessert, von Rang 38 auf Rang 23. Grund ist eine fortschrittlichere Klimapolitik unter dem neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene. Negativ schlägt allerdings zu Buche, dass Brasilien gleichzeitig die Produktion von Erdöl und Erdgas weiter ausbaut und seine Klimaziele verfehlen könnte.

Deutschland hat sich in dem Ranking um zwei Plätze verbessert, unter anderem wegen des ambitionierteren Ziels beim Erneuerbaren-Ausbau bis 2030. Die Ampel-Regierung wird allerdings nur mit »mittelmäßig« bewertet. Als Gründe führt Germanwatch die unzureichende Verkehrspolitik, die Abschwächung des Klimaschutzgesetzes sowie das verwässerte Gebäudeenergiegesetz an.

»Die Länder müssen ihre Anstrengungen vervielfachen«, so das Resumee von Jan Burck. Und Janet Milongo von CAN ergänzte, der Index zeige »einmal mehr, dass die größten Produzenten und Exporteure fossiler Brennstoffe am schlechtesten abschneiden«. Dies unterstreiche die Forderung nach einem fossilen Ausstieg – »und zwar schnell und für immer, ohne Raum für gefährliche Ablenkungen«.

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