Kämpfe nahe Kliniken im Gazastreifen

Ohne Gefäßchirurg müssen Beine in Gaza amputiert werden

  • Lesedauer: 4 Min.

Gaza/Tel Aviv.  Unmittelbar vor einer UN-Abstimmung über einen humanitären Waffenstillstand im Gazastreifen hat Israel nach eigener Darstellung weitere Erfolge gegen die Hamas erzielt. Viele Kämpfer würden sich derzeit ergeben, sagte Generalstabschef Herzi Halevi. Diese Lagebeschreibung wurde bereits in den vergangenen Tagen als übertrieben beurteilt. Unterdessen spitzt sich die Lage für Zivilisten im Gazastreifen weiter zu, speziell in den Kliniken. Die UN-Vollversammlung wollte Dienstagabend (ab 21 Uhr MEZ) auf Antrag Ägyptens über einen Waffenstillstand abstimmen.

Die Vereinten Nationen berichten weiter von Kämpfen nahe Krankenhäusern im Gazastreifen. Es habe Todesopfer gegeben, als Gesundheitseinrichtungen getroffen worden seien. Das Al-Auda-Krankenhaus in Dschabalia sei seit sechs Tagen von israelischen Truppen und Panzern umgeben, berichtete das UN-Nothilfebüro OCHA. Laut Berichten sitzen etwa 250 Ärzte, Patienten und deren Angehörige im Krankenhaus fest; zwei medizinische Mitarbeiter seien im Dienst bei Kämpfen in vergangenen Tagen getötet worden.

Direkte Angriffe auf Krankenhäuser

Am Montag sei auch die Geburtsabteilung im Krankenhaus Kamal Aduan im Norden Gazas getroffen worden. Unter anderem seien dabei Berichten zufolge zwei Mütter getötet worden. Auch dieses Krankenhaus sei seit Tagen von Israels Truppen umgeben. Zusätzlich zu den mehr als 60 Patienten, darunter sechs Neugeborenen in Brutkästen, würden 3000 Vertriebene dort Schutz suchen. Wasser, Essen und Strom seien »extrem knapp«. Israels Armee erwidert generell nur, es »folgt internationalem Recht und trifft machbare Vorkehrungen, um den Schaden für Zivilisten zu mäßigen«.

Die Vereinten Nationen teilten außerdem mit, dass am Samstag die Krankenhäuser Al-Jemen Al-Said und Al-Auda, die im Flüchtlingsviertel Dschabalia liegen, direkt angegriffen wurden. Nach Darstellung der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurde für die Todesopfer ein Massengrab ausgehoben. Auch in Al-Auda wurden der Behörde zufolge zwei medizinische Mitarbeiter im Dienst getötet. Krankenhausdirektor Ahmed Muhanna zufolge wird das Gebäude seit Tagen »belagert«, wo sich etwa 300 Patienten und Vertriebene aufhielten.

Das sich im Bau befindende Krankenhaus Al-Jemen Al-Said sei mit Artillerie beschossen worden, sodass es in Brand geraten sei, teilte die Behörde mit. Ein Vertriebener, der dort Schutz suchte, sagte der dpa, dass seine mit Behinderung lebende Schwester bei dem Artilleriebeschuss getötet worden sei.

WHO: Humanitäre Katastrophenzone

Auch das Al-Ahli-Krankenhaus in der Stadt Gaza gleicht nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einer humanitären Katastrophenzone. Das Krankenhaus könne nur noch 40 seiner 80 Betten belegen, habe aber mehr als 200 Patienten, berichtete Richard Peeperkorn, der WHO-Vertreter für die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete nach einem Besuch dort. Er sprach über Video aus dem Gazastreifen mit Reportern in Genf. Er sei jahrelang in Afghanistan und anderen humanitären Krisensituationen im Einsatz gewesen, »aber so etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen«.

Patienten lägen in Gängen, der Bücherei und einer Kapelle sowie im Innenhof. Ärzte behandelten Schwerverletzte teils auf dem Boden und auf dem Bürgersteig. Weil es keinen Gefäßchirurgen gebe, müssten sie Gliedmaßen amputieren. Die Ärzte beschrieben die Situation nach Angaben der WHO als »außer Kontrolle«. Es fehle an Treibstoff für Generatoren, Sauerstoff, medizinischem Material, ebenso wie Wasser und Nahrungsmitteln für Patienten und das Personal.

Die WHO kritisierte den Umgang des israelischen Militärs mit Krankenpflegern und schwerkranken Patienten. Ein WHO-Team und Partner seien bei der Evakuierung von Patienten an einem militärischen Kontrollpunkt stundenlang aufgehalten worden. Demnach wurde ein Mitarbeiter des Palästinensischen Roten Halbmonds vor den Augen von WHO-Mitarbeitern auf die Knie gezwungen und mit einer Waffe bedroht. Er sei danach weggebracht und nach eigenen Angaben erniedrigt worden. Der Konvoi sei unter Beschuss geraten und ein Patient laut Rotem Halbmond auf der Fahrt gestorben. dpa/nd

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