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Griechisches Olivenöl: Das flüssige Gold wird knapp
Der Klimawandel macht den griechischen Olivenbauern zu schaffen
Dimitri Vasilogiannakopoulos drückt den Ast auf den Oliven-Ernter. Drei rotierende Walzen mit langen Silikonstäben kämmen die Oliven quasi aus den Zweigen, wobei etliche Früchte im hohen Bogen auf das grüne Netz unter der Maschine fallen. Die Netze liegen auch unter den benachbarten Bäumen, aus denen sämtliche vertikal wachsende Äste mit der kurzen Motorsäge herausgeschnitten werden. Das sorgt dafür, dass die Kronen der Olivenbäume Luft bekommen, was wichtig für die Blüte im nächsten Frühjahr ist. »Oliven sind Selbstbefruchter, der Wind sorgt dafür, dass der Pollen vom männlichen Teil der Blüte auf den weiblichen übertragen wird. Dafür muss der Wind locker durch die Krone kommen«, erklärt Vasilogiannakopoulos, der in dem kleinen Dorf Charakopio unweit der Hafenstadt Koroni auf der Halbinsel Peloponnes lebt.
Jedes Jahr steigt der stämmige Bauer mit dem graumelierten, zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haarschopf im November in die Bäume, um das wichtigste Agrarprodukt der Region zu ernten. »Hier steht die Wiege der Koroneiki-Olive. Die kleine, widerstandsfähige Sorte macht rund 60 Prozent des Olivenanbaus in Griechenland aus und verdankt ihren Namen der Hafenstadt Koroni – so ist es zumindest überliefert«, berichtet Vasilogiannakopoulos. Er besitzt gemeinsam mit seinem Bruder rund 1000 der oft knorrigen, manchmal in sich gedrehten Olivenbäume. Die sind selten groß und ausladend und dominieren die steilen Hänge von Peloponnes und Kreta, einer weiteren wichtigen Anbauregion Griechenlands. Koroneiki-Olivenbäume vertragen Temperaturen bis zu minus sieben Grad im Winter und sind auch im heißen griechischen Sommer genügsam: Sie kommen mit hohen Temperaturen und wenig Niederschlägen klar. Obendrein liefert die Koroneiki-Olive hochwertiges Olivenöl – extra virgene mit deutlich weniger als 0,5 Prozent Säure und viel Geschmack.
An der Qualität der Oliven hat sich nichts geändert, wohl aber an der Menge der zu erntenden Früchte, erklärt der Landwirt. Vier prall gefüllte Säcke stehen am Ende des Arbeitstages unter einem der abgeernteten Bäume. »Nicht viel, letztes Jahr waren es 20 Säcke«, erklärt Dimitri mit bitterer Miene. 80 Bäume hat er heute mit ein paar Helfern abgeerntet. »In diesem Jahr ist die Ernte ein echtes Drama. Normalerweise erhalten wir rund 3000 Liter Olivenöl extra vergine, wovon wir rund 2500 Liter verkaufen. Dieses Jahr sind es gerade 400 Liter.« Er legt die Stirn in Falten und fährt fort: »Das reicht gerade für den Verbrauch in unserem kleinen Restaurant und den Konsum unserer Familie.«
Dann blickt er auf die Uhr und mahnt zur Eile. »Wir haben einen Termin«, sagt er und steigt in den Wagen. Wenig später erreichen wir die Mühle im rund 15 Kilometer entfernten Akritochori, die im rötlichen Licht der abendlichen Sonne erstrahlt. Nur ein paar Minuten Wartezeit verstreichen, bis wir dran sind und die Arbeiter einen Sack nach dem anderen in den geräumigen Trichter kippen. Wenig später tauchen die Oliven wieder auf einem Förderband auf, das zur Waschstation läuft. Dort verabschieden sich auch die letzten Blätter dank moderner Gebläse- und Rütteltechnik, bevor die teilweise grünen, teilweise braunen und selten schwarzen Früchte zur nächsten Etappe kommen: in eines von acht Mahlwerken. Die Oliven werden bei einer Temperatur von unter 27 Grad gepresst und zu Olivenöl verarbeitet.
Das wird anschließend zur Zentrifuge geleitet, die am anderen Ende der Halle steht. Dort wird das Öl von den Resten des Tresters, der Kerne und des Fruchtfleisches separiert. Ein frischer, an Gras und Baumschnitt erinnernder Geruch hängt in der Luft. Für den hat Dimitri Vasilogiannakopoulos allerdings wenig übrig. Er schaut auf den Strahl des grünen Öls, das mehrere feine Siebe durchläuft, bevor es wenig später in die bereitstehenden Kunststofffässer abgefüllt wird. Rund 45 Liter Öl haben ihm die vier Säcke gebracht. Zu wenig, aber das war vorher klar.
»Schon im Sommer hat sich das Drama abgezeichnet. Viele unserer Bäume haben bei 47, 48 Grad Hitze die Früchte abgeworfen. Derart hohe Temperaturen über mehrere Wochen ohne Niederschläge machen selbst unsere widerstandsfähigen Olivenbäume nicht mit«, meint er. Die Erträge in der ganzen Region Kalamata mit dem Bezirk Koroni sind stark rückläufig. »Nicht überall so stark wie rund um mein Dorf Charakopio, aber die Tatsache, dass unsere Olivenmühle erst am Nachmittag öffnet, spricht Bände«, sagt der Olivenbauer. Mit 50 bis 80 Prozent weniger Oliven kalkulieren die Mühlenbesitzer in diesem Jahr, obwohl die Ernte noch bis Ende Januar laufen wird, vielleicht auch noch etwas länger. Etliche Bauern haben die Ernte nämlich nach hinten geschoben, um die Früchte noch etwas reifen zu lassen, damit sie mehr Öl ausbilden – auch wenn damit ein Risiko verbunden ist: Wenn die Oliven am Baum ihre Farbe erst von grün zu violett und dann ins Bräunlich-Schwarze wechseln, sind sie voll reif. Dann müssen sie direkt geerntet werden, sonst fallen sie vom Baum und verderben.
Dieses Risiko gehen normalerweise nur wenige Bauern ein. Doch dieses Jahr ist alles anders. Viele haben ihre Olivenbaum-Haine Ende November noch nicht abgeerntet. Darauf haben auch die Mühlenbesitzer reagiert. Sie haben ihre Öffnungszeiten angepasst, öffnen erst gegen Mittag. »Die fehlenden Früchte sind dafür der zentrale Grund«, so einer der Arbeiter in der Mühle, der per Hand die Säcke und manchmal auch große Kunststoffkörbe in den Trichter entleert. Ein Kollege vor dem Werkstor rangiert mit dem Gabelstapler die großen Kunststoffgebinde, die in größeren Olivenhainen zum Einsatz kommen. Doch auch dort seien die Erträge mau, erzählt Manolis Yiannoulis vom nationalen Olivenölverband Edoe. »Normalerweise werden niedrige Ernten in einem Produktionsland durch höhere in anderen Produktionsländern ausgeglichen. In diesem Jahr bleibt aber auch Weltmarktführer Spanien hinter den Erwartungen zurück, ebenso wie Portugal, Tunesien und Griechenland – das führt zu einer Verknappung des Angebots«, analysiert er auf einer Pressekonferenz in Athen.
Dafür machen die Produzenten rund um das Mittelmeer vor allem die anhaltende Trockenheit verantwortlich. Wenn es nicht regnet, passen sich die Bäume an und tragen weniger Früchte, lautet die Faustregel von Bauern. Der zunehmenden Trockenheit stehen vor allem viele kleine Betriebe hilflos gegenüber. Während in größeren Hainen mit ebenen Flächen hin und wieder Bewässerungsleitungen zu sehen sind, ist das für Kleinbauern mit Bäumen an Berghängen keine Alternative, weil das zu kostspielig wäre. Klimaexperten gehen davon aus, dass sich die Anbauregionen für Oliven innerhalb Griechenlands mittelfristig verlagern könnten – von Kreta und Peloponnes in Regionen wie Thrakien oder Makedonien. Dort wäre der Klimastress für die Olivenbäume geringer, weil die Temperaturen deutlich niedriger sind.
Für traditionelle Anbauregionen wie Kalamata wäre das zweifellos eine Katastrophe. Dort laufen bereits Anpassungsprogramme – teilweise gefördert von der Europäischen Union. Zum Beispiel werden die bei der Ernte und dem Ausdünnen der Kronen anfallenden Äste nicht mehr wie früher verbrannt, sondern gehäckselt und unter den Bäumen ausgebracht, um Nährstoffe zu liefern und Wasser zu speichern.
Weil die Kosten für Düngemittel wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gestiegen sind, kommen vermehrt Bio-Dünger zum Einsatz. Einige Bauern überlegen, jetzt komplett auf Bio-Anbau umzustellen, die Nachfrage steigt dafür in Europa. Dann können sie auch von den etwas höheren Preisen profitieren. Die liegen bei den Bauern im Umkreis der Olivenmühle von Akritochori derzeit bei rund neun Euro pro Liter – unverpackt und in noch nicht zertifizierter Bio-Qualität. »Das ist das Doppelte des Preises aus dem letzten Jahr«, so der Betreiber der Mühle, die mit einem stabilen Metallzaun eingefasst ist. Der soll vor Diebstählen von lagernden Oliven und auch von Olivenöl auf dem Gelände schützen. Die nehmen nämlich zu. Für Dimitri Vasilogiannakopoulos keine Überraschung. Er hat sein Öl bereits verladen und winkt den Mitarbeitern der Mühle zum Abschied zu.
Der 23. November wird weltweit als Tag der Olive begangen. Normalerweise ist zu diesem Zeitpunkt das Gros der Ernte in den drei wichtigsten Olivenanbauländern Europas, Spanien, Griechenland und Italien, bereits eingebracht.
Doch in diesem Jahr ist alles anders. In vielen Anbauregionen ist die Ernte wie im griechischen Kalamata noch nicht abgeschlossen und die Erträge sind alles andere als zufriedenstellend. Nicht nur in Griechenland, wo sich die Prognosen auf maximal 200 000 Tonnen Olivenöl nach 350 000 Tonnen im letzten Jahr belaufen, auch in Italien und in Spanien liegen die Erträge unter dem langjährigen Durchschnitt: Spaniens Agrarminister Luis Planas rechnet mit rund 765 000 Tonnen Olivenöl; das ist zwar über dem historischen Rekordtief von 663 000 Tonnen im letzten Jahr, aber erneut macht den Bauern vor allem in Andalusien die Trockenheit schwer zu schaffen.
Nicht viel anders sieht es in Italien aus, wo eine Kombination aus Schädlingsbefall, Hagel und Trockenheit die Erträge drückt – nur ist unklar, ob sie unter den 235 000 Tonnen von der letzten Ernte liegen werden oder darüber.
Die sinkenden Ernten haben dazu geführt, dass die Lager weitgehend leer sind und große Olivenöl-Unternehmen aus Spanien und Italien auf dem internationalen Markt Olivenöl aus anderen Regionen wie Uruguay, Chile oder den Maghreb-Ländern einkaufen, um ihre Engpässe auszugleichen. Einen Preisanstieg kann der Zukauf aber nicht aufhalten.
Der Mangel an dem »flüssigen Gold« führt auch dazu, dass die Kriminalität zunimmt: Am 7. Dezember legte Europol einem Oliven-Panscher-Netzwerk in der Nähe der spanischen Stadt Ciudad Real das Handwerk. Elf festgenommene Personen werden dafür verantwortlich gemacht, das feinste Olivenöl extra vergine mit billigerem und qualitativ minderem non-vergine und dem eigentlich nicht für den menschlichen Konsum geeigneten Lampant-Olivenöl gepanscht zu haben.
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