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»Lovage«: Licht in der Dunkelheit
Über »Lovage«, das neue Album von Timber Timbre
»Es gibt nichts Schlimmeres als einen weißen Kerl, der den Blues singt«, hat Taylor Kirk, Frontmann von Timber Timbre, mal gesagt. Wahre Worte, die den weißen Kanadier aber dennoch nicht davon abhalten, den Blues zu singen. Doch hält er dabei zu den blasierten Protagonisten wie Eric Clapton oder Johnny Winter selbstredend größtmögliche Distanz. Denn seine ganz eigene Interpretation des Blues ist stets aufs Wesentliche reduziert, dabei abgründig, dicht, mystisch und beinahe spirituell.
Nicht nur, aber besonders die letztgenannte Eigenschaft wiederum teilt er mit seinem vor sieben Jahren verstorbenen Landsmann, dem legendären Leonard Cohen. Und so verwundert es nicht, dass Kirk unter anderem auf Cohen verwies, als er nach musikalischen Vorbildern im Kontext der neuen Produktion »Lovage« gefragt wurde. Im gleichen Atemzug nannte er noch Brian Wilson, Nick Cave, Sun Ra und Alice Coltrane, was unterstreicht, dass er vor großen Namen nicht zurückschreckt.
Musikalisch knüpft »Lovage« durchaus dort an, wo Timber Timbre auf ihrem herausragenden letzten Album »Sincerely, Future Pollution« aus dem Jahr 2017 aufgehört hatten. Es klingt wie der Soundtrack für David Lynchs nächsten Film, der vermutlich nie erscheinen wird.
Nebelverhangene Synthesizerlandschaften erschweren erneut die Weitsicht und lenken den Blick stattdessen auf das Wesentliche, auf die Gegenwart. Anders aber als auf dem mancherorts umstrittenen Vorgänger sind auch akustische Instrumente wie Tambourins, Vibrafone oder Gitarren, die für den Sound des Trios in den Anfangsjahren elementar waren, wieder mehr zu vernehmen. Somit taugt »Lovage« soundtechnisch als etwas verspäteter musikalischer Brückenschlag zwischen seinem direkten Vorgänger und der Frühphase der Band.
Von deren gedämpfter, oftmals depressiver Grundstimmung sind Timber Timbre mittlerweile allerdings ein gutes Stück entfernt, womit der 2014 mit »Hot Dreams« eingeschlagene Weg beibehalten wird. Ein schimmernder Abgrund tut sich auf – ähnlich wie im Spätwerk Caves und Cohens –, aber die Stimmung ist nicht völlig hoffnungslos. »Mystery Street« und »Holy Motors« klingen stellenweise gar euphorisch, was man in der Form von der Band bis dato nicht kannte.
»Confessions Of Dr. Woo« wiederum wird getragen von einer sehnsüchtig-schwelgerischen Pianomelodie, die Henry Mancini nicht schöner hätte komponieren können. Auch »Sugar Land« lässt bei aller textlichen Dunkelheit (»No, I can’t stop eating the sugar«) Licht in die Songs kommen und umgarnt die schweren Themen mit einer heiteren Dur-Melodie.
Doch beweist Kirk bei aller musikalischen Harmoniesucht, dass er sein Händchen für Dramaturgie und Humor nicht verloren hat. Und so ist ausgerechnet das abschließende Titelstück der düsterste Song auf »Lovage«, der mit seinen so ruhig wie monoton vorgetragenen Lyrics und den im Hintergrund flimmernden Synthesizerflächen angenehm-schaurige Erinnerungen an Cohens »You Want It Darker« erweckt. Fast beschwörerisch wiederholt er dabei die Zeile »Barely held together just like everything else« – womit alle zuvor vernommenen Lichtblicke wieder infrage gestellt scheinen. Man kann sich bildlich vorstellen, wie sehr Taylor Kirk das freut.
Timber Timbre: »Lovage« (PIAS)
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