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Möglicherweise doch zwei G20-Prozesse gegen Polizisten

Disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen rassistischen Knochenbrecher aus Baden-Württemberg immer noch ohne Folgen

Auch ein G20-Polizeieinsatz im Bereich Schulterblatt wird von der Staatsanwaltschaft neu aufgerollt. Ob es zur Verhandlung kommt ist aber ungewiß.
Auch ein G20-Polizeieinsatz im Bereich Schulterblatt wird von der Staatsanwaltschaft neu aufgerollt. Ob es zur Verhandlung kommt ist aber ungewiß.

Ein beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg als besonders brutal aufgefallener Polizist aus Baden-Württemberg wurde auch polizeiintern bislang nicht bestraft. Das sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums »Einsatz« aus Göppingen auf Anfrage des »nd«. Demnach laufe zwar seit zweieinhalb Jahren eine disziplinarrechtliche Prüfung gegen den Beamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), jedoch bislang ohne Konsequenzen. Eine Ende dieser Prüfung sei »derzeit nicht absehbar«.

Die Tatenlosigkeit verblüfft, denn selbst in seiner Einheit ist der Beamte für menschenverachtendes Verhalten und eine rassistische Gesinnung bekannt. Beim G20-Gipfel habe der Polizist zudem übermäßige Gewalt angewendet »und Gefallen hieran gefunden«, so die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft. Sie wollte eine Prügelorgie gegen musizierende junge Aktivisten vom 8. Juli 2017 anklagen, bei der die Göppinger Einheit einer Erzieherin mit dem Schlagstock das Wadenbein gebrochen und die Musikanlage der Gruppe zerstört hatte. Dem Gericht reichten die Beweise aber nicht für eine Verhandlung. Deshalb wurde das Verfahren wegen Körperverletzung im Amt Ende November eingestellt – auch weil der Beschuldigte die Aussage verweigert und sein Vorgesetzter den Beschuldigten auf Beweisvideos angeblich nicht erkennen kann.

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Ein weiterer Fall mit gleichem Vorwurf liegt derzeit noch bei Gericht, das seit September eine Zulassung der Anklage prüft. Dabei geht es um einen Schlagstockeinsatz der Polizei am 7. Juli 2017 am Bismarckdenkmal, bei dem ein Mann von drei Polizisten verletzt worden war. Es wäre der erste Prozess gegen beim G20-Gipfel eingesetzte Beamte – falls die Richter dazu tatsächlich verhandeln wollen.

Der Fall am Bismarckdenkmal wurde nachträglich wieder aufgerollt, wie die Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering vor zwei Wochen mitteilte. Der Hamburger Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich habe sämtliche Akten eingestellter Verfahren mit einer Anordnung vom Sommer 2018 noch einmal prüfen lassen – wegen einer damals »unvermindert kritischen Berichterstattung« zur polizeilichen Straflosigkeit in den Medien. Bei dieser Prüfung hätten sich Anhaltspunkte ergeben, um die drei Beamten im Alter von 35 bis 46 Jahren wegen der Attacke nun doch vor Gericht zu bringen.

Erneute Ermittlungen liefen laut Oechtering auch gegen einen Polizisten, der einen G20-Demonstranten am Schulterblatt mit dem Schlagstock verprügelt haben soll. In einem anderen Verfahren erfolgte die erneute Einstellung nach Zahlung einer Geldbuße. Ein weiterer Fall sollte wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, jedoch ist der Beschuldigte inzwischen verstorben. In zwei Verfahren dauern die wieder aufgenommenen Ermittlungen auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft noch an.

Von den 157 eingestellten Ermittlungsverfahren gegen Polizisten seien 151 nicht wieder aufgenommen worden, teilte Oechtering mit. Die Anwendung von Gewalt durch die Polizei beim G20-Gipfel in Hamburg sei demnach »in den allermeisten Fällen gerechtfertigt« gewesen, folgert die Oberstaatsanwältin.

Im Falle der Prügelpolizisten aus Göppingen will die Hamburger Polizei nach der EInstellung des Verfahrens sichergestellte Chat-Nachrichten, in denen einer der Hauptbeschuldigten »unbestimmte Gewalthandlungen während des G20-Gipfels grob verherrlicht«, nun an die Dienstvorgesetzten in Göppingen weiterleiten. Dort könnten sie dann für die disziplinarischen Ermittlungen verwendet werden.

In ihren Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft zwei weitere Beamte der BFE aus Baden-Württemberg als Täter identifiziert, diese verweigerten aber ebenfalls die Aussage. Polizeiinterne Maßnahmen müssen sie erst gar nicht befürchten: Es gebe lediglich die disziplinarrechtliche Prüfung gegen den Brutalo-Polizisten, wie das Ministerium des Inneren in Baden-Württemberg dem »nd« bestätigt. Die übrigen Beschuldigten gehen demnach komplett straffrei aus.

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