Vier-Tage-Woche: Mehr Zeit fürs Leben

Debatte über die Vier-Tage-Woche: Es geht voran

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 2 Min.
Zehntausende Beschäftigte in der Stahlindustrie haben im Dezember für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten gestreikt.
Zehntausende Beschäftigte in der Stahlindustrie haben im Dezember für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten gestreikt.

Kollektive Arbeitszeitverkürzungen durchzusetzen, ist ein zäher Kampf. Oft dauert es Jahrzehnte, bis deutliche Fortschritte erzielt und erstreikt werden. 2023 erlangte eine Idee neue Popularität: die Vier-Tage-Woche.

Seit mehr als einem Jahrhundert kämpfen Gewerkschaften für kürzere Arbeitszeiten. Um 1900 war die Sechs-Tage-Woche mit elf Arbeitsstunden pro Tag üblich. Doch erst nach der Novemberrevolution 1918 wurde wenigstens die tägliche Regelarbeitszeit deutlich reduziert. In dem 1960er Jahren setzten Gewerkschaften dann die Fünf-Tage-Woche durch. 1984 folgte der »wohl härteste Streik in der Geschichte der IG Metall«, schreibt die Gewerkschaft: der Arbeitskampf für die 35-Stunden-Woche. Es dauerte elf Jahre, bis sie in der westdeutschen Metall- und Druckindustrie tariflich voll umgesetzt war. Doch bis heute arbeiten viele Beschäftigte um die 40 Stunden – und die Fünf-Tage-Woche gilt weiterhin als Standard, insbesondere für Männer.

Trotz alledem – Wie Menschen gemeinsam für ihre Rechte kämpfen

Für Millionen Menschen war 2023 geprägt durch Kriege, Flucht und materielle Unsicherheit. Hetze gegen die vermeintlich Anderen grassiert. Die EU grenzt Flüchtlinge zunehmend aus. Derweil steigen Mieten und Löhne sinken. Doch 2023 gab es auch Bewegungen, die sich all dem widersetzen.

Russen wenden sich gegen den Krieg, Beschäftigte streiken gemeinsam für ihre Rechte, Mieterinnen kämpfen für bezahlbares Wohnen. In »nd.DieWoche« stellen wir einige Initiativen und Bewegungen vor, die auf Solidarität und Versöhnung setzen. Mehr auf www.nd-aktuell.de/die-woche

Im diesem Jahr hat nun ein kleines Pilotprojekt eine breite Diskussion über die Vier-Tage-Woche entflammt: In Großbritannien verkürzten 61 Unternehmen freiwillig die Arbeitszeit, mit Lohnausgleich. Es blieb in Deutschland nicht bei der Debatte. Die IG Metall forderte für Beschäftigte in der Stahlindustrie neben höheren Löhnen die 32-Stunden-Woche und damit den Einstieg in die Vier-Tage-Woche. Zehntausende streikten dafür. Mitte Dezember wurde für NRW eine Einigung erzielt: Um Beschäftigung zu sichern, können die Betriebsparteien, also Betriebsräte und Firmenleitung, die kollektive Arbeitszeit auf 32 Stunden senken. Dabei darf der Lohn nicht so stark wie die Arbeitszeit sinken.

Mehr Zeitwohlstand wünschen sich viele Menschen. So zeigen Umfragen, dass die meisten Vollzeitbeschäftigten in Deutschland kürzer arbeiten möchten, selbst wenn das Gehalt entsprechend sinkt. Bei einem Lohnausgleich würde eine überwältigende Mehrheit die Vier-Tage-Woche bevorzugen.

Mehr als die Hälfte der Frauen und immer mehr Männer arbeiten ohnehin schon heute in Teilzeit. Insgesamt hatten Ende dieses Jahres über 39 Prozent der Arbeitnehmer*innen eine Teilzeitstelle, so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Neben der Erwerbsarbeit gibt es eben viel zu tun, Nötiges und Selbstbestimmtes und all das dazwischen Liegende.

Da es in der Debatte eine große Rolle spielt, sei noch angemerkt: Trotz der Arbeitszeitverkürzungen in den vergangenen Jahrzehnten ist der materielle Wohlstand insgesamt kräftig gestiegen.

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