Mit Tricks gegen die AfD?

Soll man Kandidaten der Rechtsaußen-Partei von Wahlen ausschließen? Nein, findet Christoph Ruf, man soll lieber mit ihren Wählern sprechen.

Kurz vor Silvester muss ich, ohne es zu merken, in ein schwarzes Loch gefallen sein. Bis Heiligabend wähnte ich mich noch halbwegs drin im publizistischen Wettstreit, um ein paar Tage später zu begreifen, dass ich nichts mehr begreife. Natürlich ist es beängstigend, dass die AfD in diesem Jahr in drei Bundesländern bei über 30 Prozent landen könnte. Und natürlich ist es da mehr als geboten, den »Protest«- und »Schnauze-voll«-Menschen auch publizistisch noch mal zu verdeutlichen, welche Folgen die Wahl dieser Partei haben kann.

Gewundert hat mich in den letzten Tagen, dass hochseriöse Medien pauschal von Neonazis schrieben und damit nicht nur Björn Höcke und seinen Flügel, sondern die ganze Partei meinen. Das ist schärfer (nicht schlimm), vor allem aber blindwütiger und unpräziser als die bisherige Wendung »in Teilen rechtsextrem« – und übrigens auch als die meisten mir bekannten Antifa-Statements zu dieser widerlichen Partei. Stutzig macht mich aber, dass seit ein paar Tagen gefordert wird, den maßgeblichen AfD-Politikern noch kurz vor den Wahlen nach Artikel 18 Grundgesetz das passive Wahlrecht zu entziehen. Nach dem Motto: Grob 35 Prozent der Thüringerinnen und Sachen wollen AfD wählen? Sorgen wir dafür, dass ihre Kandidaten von den Listen verschwinden. Weil wir nicht mehr wissen, wie wir das Spiel gewinnen sollen, ändern wir die Spielregeln – das ist das Signal.

Sorry, Leute, aber meint ihr wirklich, dass ihr damit irgendwas zum Guten wendet? Seid ihr wirklich so auf das verdammte Kreuz alle vier Jahre fixiert, dass ihr denkt, damit ändere sich etwas am gesellschaftlichen Alltag in einem Bundesland? An der Stimmung in der Bevölkerung? Ich fürchte sogar, dass so mancher, der – warum auch immer – schon mal mit dem Gedanken gespielt hat, sein Kreuz bei der AfD zu setzen, nun den entscheidenden Impuls bekommt, das wirklich zu tun. Eine »wehrhafte Demokratie«, die Stärke zeigt, würde versuchen, einen möglichst großen Teil der 35 Prozent davon zu überzeugen, dass er falsch liegt. Sie würde nicht acht Monate vor einer Wahl tricksen und in den Landtagen die meiste Energie darauf verwenden, irgendwie AfD-freie Ausschüsse bilden zu können. Sie würde nicht wie das Kaninchen auf die von Grund auf jämmerliche Schlangengestalt des Björn Höcke starren, die mit ihrem tausendfach vorm Spiegel eingeübten Bernd-schaut-gen-Himmel-Blick auf den Flieger mit Riefenstahls Leni wartet, der leider schon wieder nicht in Bornhagen landet.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet hier politische und sportliche Begebenheiten.

Natürlich ist es erschreckend, dass die AfD von einem hohen Prozentsatz von Menschen aus Überzeugung gewählt wird. Aber hatte denn wirklich jemand ernsthaft Zweifel daran, dass in diesem Land erschreckend viele Idioten leben, darunter auch gefährliche Idioten? Das wäre der Teil der AfD-Wähler, der erstmal verloren ist. Aber da ist der andere Teil, der die Acht-Prozent-Partei auf derzeit 20 Prozent aufgebläht hat. Sollte man den Leuten nicht erklären, warum sie auf dem Holzweg sind? Im optimalen Fall mit Worten, an die man selbst glaubt?

Derzeit sendet die Demokratie nicht das Signal aus, dass sie sich das zutraut. Stattdessen wird überlegt, wie man AfD-Stimmen unschädlich machen kann, die man offenbar für unausweichlich hält. Das ist ein Zeichen von Schwäche. Und Wahlkampfmunition für die, die man angeblich bekämpfen will. Mal wieder.

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