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Blinken bricht zu weiterer Nahost-Reise auf
Erneut besucht der US-Außenminister Jerusalem sowie weitere Hauptstädte der Region – doch die Zielsetzung des Weißen Hauses bleibt unklar
Zum fünften Mal seit Oktober reist US-Außenminister Antony Blinken nach Israel. Sein jüngster Besuch erfolgt zu einem für den weiteren Kriegsverlauf kritischen Zeitpunkt. In den nächsten Tagen könnte sich entscheiden, ob sich die Kämpfe im Gazastreifen zu einem bewaffneten Konflikt in der ganzen Region ausweiten. Das Eskalationspotential ist enorm. Denn sowohl in Gaza, wie auch im Südlibanon, im Irak, in Syrien und im Roten Meer agieren bewaffnete Gruppen, hinter denen das iranische Regime als Schutzmacht steht. Ein Krieg zwischen den USA und dem Iran stand in den letzten 20 Jahren immer wieder im Raum – und immer wieder gelang es, Spannungen abzubauen und diesen zu verhindern. Sollte er nun tatsächlich ausbrechen, würde er wohl schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen als die Einsätze im Irak und in Afghanistan unter US-Führung.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Die US-Regierung hält sich, wie in den letzten Monaten üblich, mit öffentlichen Aussagen über Blinkens Agenda zurück. Aus Regierungskreisen wurde bekannt, Blinken plane neben einem Besuch in Jerusalem auch Stopps in weiteren Hauptstädten der Region. Eine anonyme Quelle aus dem US-Apparat gab gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters an, Blinken werde sich für einen Abbau der Spannungen zwischen Israel und der libanesischen Miliz Hisbollah einsetzen.
Diese hatten in den vergangenen Tagen enorm zugenommen: Auf die Tötung des Hamas-Funktionärs Saleh al-Arouri in Beirut am Dienstag folgte am Donnerstag die Ermordung eines Anführers der Gruppe Al-Nujaba im Irak, die der libanesischen Hisbollah sehr nahe steht. US-Stützpunkte in der Region waren in den letzten Monaten immer wieder attackiert werden, die USA übten Luftschläge gegen pro-iranische Gruppen aus.
Derzeit stünden sowohl in Washington als auch in Jerusalem alle Zeichen auf Eskalation, erklärt der Nahostexperte Trita Parsi vom Quincy Institute for Responsible Statecraft, einem außenpolitischen US-Thinktank, im linken Podcast »Majority Report«. Parsi argumentiert, das israelische Kalkül habe sich seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 verändert: Der Glaube daran, neben bewaffneten Gruppen wie Hamas und Hisbollah existieren und sie langfristig in Schach halten zu können, sei verflogen. »Man hat der Hamas einen solchen Angriff nicht zugetraut, und doch hat er stattgefunden. Nun wird dies auf den Libanon extrapoliert«, so Parsi. Israel strebe nun an, den Konflikt auszuweiten und sich dieser Bedrohung zu entledigen.
Letztlich würden sich die militärischen Kräfteverhältnisse in der Region jedoch nur durch einen militärischen Sieg der USA über den Iran verschieben lassen. Die Nahostpolitik Bidens habe diese Strategie ermuntert. »Dies ist der nachgiebigste US-Präsident, mit dem es (Israel) seit langem zu tun hat«, meint Parsi. Die Regierung Netanjahu rechne im Fall eines größeren Angriffs aus dem Libanon oder Syrien nicht mit dem Widerstand der USA gegen eine Ausweitung des Kriegs, auch wenn die USA dieses Szenario momentan noch zu verhindern versuchten. Ein entscheidender Grund hierfür seien die persönlichen Überzeugungen Bidens, der das israelische Vorhaben, die Hamas im Gazastreifen zu eliminieren, koste es, was es wolle, für gerechtfertigt halte. Außer rhetorischen Aufforderungen zur Zurückhaltung gebe es keinen substantiellen druck aus Washington auf Israel, sein Verhalten anzupassen.
Biden übergehe hier selbst Mitglieder seiner eigenen Fraktion im Senat: Am vergangenen Samstag hatte der demokratische Senator Tim Kaine aus Virginia, ehemaliger Vizepräsidentschaftskandidat von Hillary Clinton, seinem Unmut darüber Luft gemacht, dass die Regierung die jüngsten Waffenlieferungen an Israel per Notverordnung genehmigt und damit am Kongress vorbei manövriert habe. Damit werde »die amerikanische Öffentlichkeit im Dunkeln gelassen«. Kaine ist weder für seine außenpolitische Zurückhaltung noch seine israelkritischen Positionen bekannt. Bidens bedingungslose Unterstützung der israelischen Kriegsführung geht weit über den sonst üblichen überparteilichen Konsens zur Nahostpolitik in Washington hinaus. Ob es sich bei Blinkens Reise tatsächlich um eine deeskalierende Mission handelt, bleibt deshalb abzusehen.
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