Russisch-koreanische Waffenbrüder

Moskau soll ballistische Raketen aus koreanischer Produktion auf die Ukraine abgefeuert haben

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 4 Min.

Russlands Armee soll bei den massiven Beschüssen ukrainischer Städte zum Jahreswechsel auch Raketen aus nordkoreanischer Produktion eingesetzt haben, das behaupten zumindest die USA. Pjöngjang habe kürzlich ballistische Raketen sowie Raketenwerfer an Russland geliefert, von denen einige bei Angriffen am 30. Dezember und 2. Januar eingesetzt worden seien, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, am Donnerstag. Demnach sei eine Rakete am 30. Dezember auf einem Feld bei Saporischschja eingeschlagen. Am 2. Januar soll Russland laut Kirby gleich »mehrere« koreanische Geschosse abgefeuert haben.

Bereits in den vergangenen Tagen hatten Experten dieselbe Vermutung wie der US-Offizielle geäußert und zwei mögliche Raketentypen ausgemacht, die die russische Armee verwendet haben könnte. Beide sollen demnach dem sowjetisch-russischen Iskander-System ähneln und daher mit den aktuellen russischen Systemen kompatibel sein.

Beweise bisher Fehlanzeige

»Dies ist eine bedeutende und besorgniserregende Eskalation der nordkoreanischen Unterstützung für Russland«, erklärte Kirby in Bezug auf die vermeintliche Raketenkooperation zwischen Moskau und Pjöngjang und sandte damit ein Warnsignal an die Welt. Eines vergaß der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus jedoch: Beweise für die Eskalation mitzuliefern.

Dass Pjöngjang und Seoul seit Monaten ihre Artilleriearsenale, die sie für einen Krieg gegeneinander aufgebaut haben, auf das ukrainische Schlachtfeld schicken, gilt als gesichert. Nordkoreas Staatschef Kim Jong-Un, der nach westlichen Angaben bereits 1000 Eisenwaggons voller Waffen nach Russland geschickt haben soll, erhofft sich im Gegenzug dafür Zugang zu russischer Technologie für sein eigenes Abschreckungsarsenal. Beweise gibt es dafür bisher nicht. Ebenso wenig dafür, dass Kim ballistische Raketen auf das Schlachtfeld geliefert hat, heißt es zumindest aus Kiew.

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Kiew will Untersuchung abwarten

Die Erklärung sei von den Vereinigten Staaten gekommen, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat, am Freitag in einem Telemarathon. »Die Rakete fliegt, fällt, zersprengt in kleine Teile und fliegt auseinander. Versuchen Sie da mal festzustellen, womit sie geschossen haben. Sicher ist, dass es eine ballistische ist. Aber welche ballistische, wessen Rakete, das muss man herausfinden.« Momentan würden Spezialisten die gefundenen Teile untersuchen, erst dann könne man Genaueres sagen. Bis dahin könne man die Behauptung nicht bestätigen, so Ihnat.

Gesichert gilt hingegen, dass Russland bei seinen Angriffen zum Jahreswechsel auch frisch produzierte Raketen abschoss. Gefundene Teile deuten darauf hin, dass die Raketen zwischen Oktober und Dezember 2023 gebaut wurden und sind ein Indiz dafür, dass Russland immer noch Geschosse in großer Zahl anfertigen kann. Bereits nach der gescheiterten Gegenoffensive der Ukraine, für die westliche Unterstützer Unmengen an Waffen geliefert hatten, äußerten sich unabhängige und kritische Kriegsbeobachter erstaunt, dass das unter massiven Sanktionen stehende Russland fähiger sei, Waffen in großen Mengen zu produzieren, als der Westen. Zudem, so streuen zumindest US-Offizielle immer wieder Gerüchte, stehe Moskau kurz davor, aus dem Iran neben Drohnen auch Raketen zu beziehen.

Diskussion um Mobilisierung geht weiter

Den Menschen in der Ukraine dürfte es letztlich egal sein, welchen Herkunftsstempel die Geschosse haben, die auf ihre Städte niedergehen. Gleiches gilt für die Armee, der zunehmend die Munition für die Abwehr der russischen Angriffe ausgeht. Verschiedene russische Portale behaupten, die Ukraine könne ihre Stellungen einzig durch den massiven Einsatz von Drohnen halten. Deren Nutzung soll nun, auch aus Kostengründen, noch verstärkt werden. Von einer neuen Gegenoffensive, die Präsident Wolodymyr Selenskyj immer noch beschwört, dürfte die ukrainische Armee weit entfernt sein. Dafür fehlen neben Munition schlicht und einfach auch Soldaten.

Seit Tagen berät in Kiew eine Kommission deshalb über die zukünftige Gestaltung der Mobilisierung. Kommende Woche soll das neue Gesetz stehen. Bis dahin, das zeichnet sich bereits ab, wird es heftige Diskussionen geben.

Am Freitag erklärte der Verteidigungsausschuss des ukrainischen Parlaments, dass man praktisch zu jeder der 73 Seiten des neuen Mobilisierungsgesetzes Fragen habe. Fragen, die Armeechef Walerij Saluschnyj relativ egal sein dürften. In der nicht öffentlichen Sitzung soll er nach ukrainischen Medienangaben die Parlamentarier angegriffen und aufgefordert haben, an die Front zu gehen. Zuvor hatte er den Vorschlag, Gefängnisinsassen einzuziehen, abgelehnt. Der Armeedienst sei »nicht für schlechte Leute«, so Saluschnyj. Oleksij Danilow, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, hatte mehrfach betont, dass niemand mehr von der Armee verschont werden könne.

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