Brandenburg: Kein neuer Staatssekretär vor der Wahl

Brandenburgs Linke fordert sorgsamen Umgang mit Steuergeldern im Sozialministerium

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

In den 1990er Jahren wurden in Brandenburg wie überall in Ostdeutschland Betriebe geschlossen, Wohnblöcke abgerissen und Bahnstrecken stillgelegt. Hinter der Phrase vom »Aufbau Ost« verbargen sich lediglich der Straßenbau und das Umorganisieren der Verwaltung hin zu den im Westen üblichen Strukturen. Einer der sogenannten Aufbauhelfer war Michael Ranft, geboren 1958 in Bremen. Er hatte Jura in Marburg und Bremen studiert, sein Referendariat am Westberliner Kammergericht absolviert und dann beim Abgeordnetenhaus und beim Bezirksamt Schöneberg zu tun, bis er zur Ostberliner Magistratsverwaltung für Gesundheit stieß – und 1991 ins brandenburgische Sozialministerium wechselte.

Von 2005 bis 2012 war der parteilose Ranft Abteilungsleiter in der Landtagsverwaltung und dann wieder im Sozialministerium, wo er im Dezember 2019 von der neuen Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) zum Staatssekretär ernannt wurde. Nach der Landtagswahl am 22. September will Nonnemacher aufhören. Sie ist dann 67 Jahre alt. Michael Ranft ist jetzt 65 Jahre. Nonnemacher hat bei Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) beantragt, den Staatssekretär in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu dürfen. »Die vergangenen vier Jahre waren außerordentlich arbeitsintensiv und von mehreren großen Herausforderungen geprägt. Das hat immense Kraft gekostet und allen enorm viel abverlangt«, begründet Nonnemacher diesen Schritt.

Ranft war in der Corona-Pandemie Leiter des Krisenstabs. »Jetzt ist es Zeit für einen Wechsel«, sagt er. »Dieser Entschluss ist über einen längeren Zeitraum gereift. Dabei ging es mir insbesondere um die für unser Ministerium bestmögliche Lösung.« Nonnemachers Pressesprecher Gabriel Hesse erklärt, die Stelle des Staatssekretärs für Soziales, Gesundheit und Integration müsse schnell neu besetzt werden. Zwar hat Nonnemacher mit Antje Töpfer noch eine Staatssekretärin, die sich um den Verbraucherschutz kümmert. Aber die will sich – nominiert ist sie noch nicht – als Spitzenkandidatin der Grünen in den Landtagswahlkampf stürzen.

»Angesichts der Tatsache, dass nur noch wenige Monate bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode verbleiben«, sei die Nachbesetzung »absoluter Quatsch«, meint Linksfraktionschef Sebastian Walter. »Wenn Frau Töpfer nicht kann, weil sie im Wahlkampf gebunden zu sein scheint«, dann werde sich sicher eine andere geeignete Person im Ministerium finden, »die die anstehenden Aufgaben kommissarisch übernehmen kann«. Ministerpräsident Woidke müsse »eingreifen und für eine effiziente und kostenbewusste Lösung sorgen«, forderte der Oppositionspolitiker. Das würde einen verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern demonstrieren in einer Zeit, in der jeder Euro zählt.

Die Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig (CDU) weist darauf hin, dass ein neuer Staatssekretär nach nur neun Monaten Anspruch auf Versorgungsbezüge und Ruhegehälter hätte, wenn er nach der Wahl bei einer anderen Regierung abgelöst wird. Innenminister Michael Stübgen (CDU) arbeite nach der Entlassung von Staatssekretär Uwe Schüler im Februar 2023 mit nur einem Staatssekretär weiter, erinnert Ludwig. »Warum soll das im Gesundheits- und Sozialministerium nicht möglich sein?«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.