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Kulturstandort Uferhallen in Berlin: Das rettende Ufer
Wegen eines Investors sorgten sich Künstler*innen um ihr Kreativareal im Wedding – nun gibt es Entwarnung für die nächsten 30 Jahre
Die Uferhallen sind gerettet, und das mit dem bestmöglichen Deal. Daran will Berlins Kultursenator am Mittwoch keinen Zweifel lassen. »Heute dürfen wir gemeinsam feiern«, verkündet ein strahlender Joe Chialo (CDU) in der Alten Kantine Wedding. Nach jahrelanger Unsicherheit herrsche nun Planungssicherheit am Weddinger Kulturkomplex. Chialo spricht von einem »Vorzeigeprojekt«, einer »erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Kultur, Politik und Wirtschaft« in der Hauptstadt.
Seinen Ruf einer Kreativmetropole hat Berlin tatsächlich Orten wie den Uferhallen zu verdanken. Auf dem über 18 000 Quadratmeter großen Gelände, das ursprünglich für den Straßenbahnbetrieb genutzt wurde, richteten sich ab 2008 bis zu 150 Künstler*innen ein. Zahlreiche Ateliers, Werkstätten, Probe- und Veranstaltungsräume entstanden, die Hauptstadt gewann einen neuen, freien Kulturstandort.
Dann stieg 2017 mit der Argo Prato ein Investor an den Uferhallen ein. Hinter dem Unternehmen verbirgt sich der laut »Forbes« 1,3 Milliarden schwere Alexander Samwer, der einst mit seinen Brüdern dem Modeversandriesen Zalando den Weg bereitete. Gemeinsam zählen die drei zu den größten Immobilieninvestoren in der Hauptstadt.
Auch an den Uferhallen soll gebaut werden. Ein gemeinsam entwickelter Bebauungsplan, bei dem der künstlerische Betrieb erhalten werden sollte, pausiert jedoch seit gut einem Jahr. Die Sorgen um die Zukunft des Kreativstandortes wuchsen.
Jetzt aber die Entwarnung: Ende Dezember haben die landeseigene Kulturraum GmbH und der inzwischen als Marema GmbH firmierende Eigentümer einen Generalmietvertrag unterzeichnet. Für die kommenden 30 Jahre soll der Bestand der denkmalgeschützten Uferhallen als Kulturraum gesichert sein. Abgeschlossen wurde der Vertrag selbst auf zunächst 20 Jahre. Der gemeinnützigen Kulturraum GmbH, die die Räume künftig an die Künstler*innen weitervermieten wird, ist anschließend vorbehalten, den Vertrag um weitere zehn Jahre zu verlängern.
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Jasper Bieger, Geschäftsführer der Kulturraum Berlin gGmbH, zeigt sich zufrieden. Für derartige Gewerbeverträge üblich sei eine Laufzeit von zehn Jahren. »Am Ende sind 30 Jahre das, was maximal geht«, sagt Bieger. Zudem miete man die Flächen zu Konditionen, die unterhalb der im Kiez durchschnittlich geforderten Gewerbemiete liegen. Alle Mieter*innen, die bereits einen Vertrag in den Uferhallen haben, genössen Kündigungsschutz. »Das ist wirklich ein guter Vertrag für alle Seiten.« Die Uferhallen seien etwas Besonderes: »Deswegen war es wichtig, hier schnell zu agieren.«
Rund 12 600 Quadratmeter des Areals sollen infolge der Einigung gesichert sein. Die Fläche besteht zum großen Teil aus Produktionsräumen, hinzu kommt eine 2500 Quadratmeter große Halle. Auch Außenflächen dürfen laut Eigentümer von den Künstler*innen genutzt werden. Ausstellungsflächen sind in den Uferhallen ebenfalls geplant. Wer den Zuschlag für einen Raum erhalten soll, wird im Einzelfall durch eine Jury entschieden.
Man wolle ein Fördermodell entwickeln, das für andere Standorte genauso hilfreich ist, verspricht Anje Blumenstein, Vorständin des Uferhallen-Vereins, der die Gemeinschaft der Künstler*innen vor Ort vertritt. Für die Zukunft des Standorts stellt sie ein solidarisches Fördersystem in Aussicht, das unterschiedliche Einkommensverhältnisse der Kunstschaffenden berücksichtigen soll. Der Verein hoffe, in der Übergangszeit von zwei bis drei Jahren letzte Fragestellungen zu klären und unter anderem Atelierwohnungen zu realisieren.
Die genaue Quadratmetermiete für die einzelnen Räume ist nicht bekannt, soll sich jedoch im einstelligen Bereich bewegen. Eine Millionen Euro plant der Senat jährlich an Fördermitteln aus dem Landeshaushalt für das Preisniveau der Mieten bereitzustellen.
Dem Investor wiederum liegt für sein Bauprojekt bereits eine Baugenehmigung vor. Rund 100 Mietwohnungen werden vor Ort entstehen, hinzu kommen einige Büroflächen von jeweils bis zu 100 Quadratmetern. Ursprünglich war der Bau eines 13-stöckigen Turms auf dem Gelände geplant, wovon der Investor zuletzt allerdings zurücktrat, wohl wegen gestiegener Baukosten.
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