Agrarpolitik bleibt zögerlich

Konkrete Maßnahmen für widerstandsfähigere Landwirtschaftssysteme sind auch 2024 nicht in Sicht

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.

Die komplette Streichung der Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge ist vom Tisch. Dennoch bestimmen die Bilder von den Bauernprotesten weiter die Schlagzeilen. Es gehe gar nicht mehr allein um diese Begünstigungen, so sein Eindruck, erklärte Agrarminister Cem Özdemir bei einem Auftritt im baden-württembergischen Ellwangen. Nach Buhrufen erntet er auch Zustimmung bei den Anwesenden. Wie allerdings die Bundesregierung die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit und Artenschutz konkret begleiten will, dazu sagte der Grünen-Politiker nicht viel.

Klimakrise, der Verlust der Artenvielfalt sowie die Belastung der Böden und Gewässer bedrohen nicht nur die Existenzen der Agrarbetriebe, doch die Bauern und Bäuerinnen sind es, die daran etwas ändern können – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Deutschland hat wie alle EU-Länder den Anspruch formuliert, widerstandsfähigere Agrarsysteme zu schaffen, welche Biodiversität, Klima, Boden und Wasser als Grundlage der Landwirtschaft besser schützen. Nachdem die vergangenen Bundesregierungen, besonders die CDU/CSU-Agrarminister*innen, die Transformation ausgesessen haben, lässt auch die Ampel-Koalition trotz grün-geführter Agrar- und Umweltministerien kaum Umsetzungswillen erkennen. Laut dem Landwirtschaftsministerium (BMEL) befindet sich ein Entwurf zur Überarbeitung des Tierschutzgesetzes in der Ressortabstimmung. Beim Umbau der Tierhaltung habe man immerhin einen »Einstieg geschafft«, so Staatssekretärin Ophelia Nick. Auch der BMEL-Vorschlag für die »Deutsche Ernährungsstrategie« wird aktuell in den Ressorts abgestimmt und soll Ende Januar im Kabinett besprochen werden. Umweltgruppen sind hier skeptisch, dass ein großer Wurf herauskommt.

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Dabei brauchen die Landwirt*innen dringend Unterstützung und passende Hilfen bei der Transformation. Dabei werden jetzt Rufe nach einem Agrargipfel (Die Linke) oder einem weiteren Gesellschaftsvertrag (CDU) laut. Mit Verweis auf die Kommissionen der vergangenen Jahre, die konsensfähige Empfehlungen ausgearbeitet haben, scheinen weitere Treffen weniger gefragt. »Wir haben in 16 Jahren CDU-geführtem Landwirtschaftsministerium unter Ilse Aigner die Charta Landwirtschaft, unter Christian Schmidt das Grünbuch Landwirtschaft und unter Julia Klöckner die Zukunftskommission Landwirtschaft sowie die Ergebnisse der Borchert-Kommission ausgehandelt. Jetzt ist nicht die Zeit für einen Gesellschaftsvertrag 5.0. Was wir brauchen, sind Politikerinnen und Politiker, die anpacken und die vorliegenden Empfehlungen endlich umsetzen«, sagt Martin Schulz von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

In einem Positionspapier verweist die Organisation auf ihre Kernforderungen, die Umsetzung der Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft. Beide Kommissionen hätten einen breiten Konsens herstellen können zwischen den wirtschaftlichen und nachhaltigen Anforderungen an die Betriebe. Um kostendeckend arbeiten zu können, müssten Bäuerinnen und Bauern »endlich« in die Lage versetzt werden, mit dem nachgelagerten Bereich, unter anderem Molkereien, »auf Augenhöhe zu verhandeln«. Laut EU-Recht könnte die Bundesregierung eine gesetzliche Vertragsgestaltung vor Lieferung zwischen der abnehmenden Hand und den Milchbäuerinnen und -bauern verpflichtend einführen und die Genossenschaften einbeziehen. »In diesen Verträgen sind zwingend Mengen, Qualitäten, Laufzeiten und ein fester Preis zu vereinbaren«, so die AbL. Desweiteren fordert die AbL die Einführung einer Tierwohlabgabe zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung. Die hierfür bereits in den Haushalt eingestellten rund eine Milliarde Euro würden bei Weitem nicht ausreichen. Das hat auch der Deutsche Bauernverband bereits öfter kritisiert.

Ein weiterer Baustein könnten Agroforstsysteme sein. Dahinter steht eine multifunktionale Landnutzungsform, bei der Gehölze in Kombination mit landwirtschaftlichen Kulturen und/oder mit der Haltung von Nutztieren angebaut werden. Ein Bündnis von Agrarexpert*innen hat am Mittwoch dazu ihr Positionspapier vorgestellt. Unter dem Motto »Agroforst Jetzt!« wird darin die Dringlichkeit solcher Systeme in Deutschland betont.

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