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Linke: Die Abwehr der Faschisten
Beim Linke-Jahresauftakt ging es um die Erneuerung der Partei und die Verteidigung der Demokratie
Dieser Tage erlebte Walter Baier, der Vorsitzende der Europäischen Linkspartei, ein Kontrastprogramm. Am Mittwoch hatte der Österreicher als Mitglied einer größeren Gruppe eine Audienz beim Papst. Baier sprach danach vom gemeinsamen Engagement für eine gerechtere und ökologischere Welt, »für die sozial Ausgegrenzten, für die Armen, für Mutter Erde, für den Frieden«. Den von Franziskus verwendeten Begriff der integralen Ökologie findet Baier »so treffend, dass er eigentlich in jeder sozialistischen Programmatik Eingang finden sollte«.
Am Wochenende war Baier dann Gast des Linke-Jahresauftakts in Berlin. Die fand in der Stadtmission statt, die zwar nicht von Katholiken betrieben wird, sondern von Protestanten – aber während der Debatten prangte im großen Saal neben der Linke-Dekoration ein großes beleuchtetes Kreuz. Den ganzen Tag über diskutierten vor allem junge Leute über den Zustand der Gesellschaft sowie die Lage und Aufgaben der Linken. Der Themenkanon reichte von Klimaschutz über Industriepolitik bis zur Mitgliedergewinnung.
Und natürlich ging es um die Wahlen in diesem Jahr – Europawahl, Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie Kommunalwahlen sind 2024 im Angebot. Um dabei aus der Talsohle zu kommen, will Die Linke nach einer langen Phase des internen Streits wieder als gemeinsam und nicht gegeneinander handelnde Partei in Erscheinung treten.
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Wobei allen klar ist, dass es in diesem Wahljahr nicht einfach nur um ein paar Prozente mehr als zuletzt geht. Der Kampf gegen den Faschismus sei »in Sachsen eine der größten Herausforderungen, die auch für ganz Deutschland stehen wird«, so der sächsische Landesvorsitzende Steffen Hartmann. Die Linke müsse darum kämpfen, »dass die AfD in den Kommunen nicht so stark wird, dass kein Bürgermeister mehr an ihr vorbei kommt«. Das meinte der Publizist Raul Zelik wohl, als er anmerkte, die wichtigste Frage für Die Linke sei nicht, ob sie fünf, sieben oder neun Prozent bekommt, »sondern ob wir ein gesellschaftlicher Orientierungspunkt sind«. Fünf, sieben oder neun Prozent mögen kein Maßstab des Erfolgs sein, entgegnete Hartmann, im Einzelfall könne das aber zum Maßstab des Misserfolgs werden.
Wie kann Die Linke wieder ein solcher Orientierungspunkt werden? Indem sie die herrschenden Verhältnisse in Frage stellt. »Wir wollen nicht, dass sich die Armen um die Brotkrumen streiten«, sagte Parteichefin Janine Wissler, »sondern wir stellen die Frage, wo das ganze Brot geblieben ist und wem die Bäckerei gehört.« Oder wie es Steffen Hartmann formulierte: Eine Linke für alle – so das Motto der Erneuerungskampagne – heiße nicht eine Linke für jeden: »Wir betrachten jede gesellschaftliche Veränderung aus dem Blickwinkel derjenigen, die nicht auf dem Geldsack sitzen und mit den Beinen baumeln.«
Gerade im Osten, wo in diesem Jahr mehrfach gewählt wird, gibt es neben einem ausgeprägten Sinn für Ungerechtigkeit auch eine gewisse Resignation. Benjamin Hoff, Chef der Thüringer Staatskanzlei, sprach vom Gefühl Ostdeutscher, 1990 in die Bundesrepublik eingewandert, aber nie angekommen zu sein. Viele sagten nach mehr als 30 Jahren Benachteiligung, es werde nicht mehr besser, und wählten deshalb AfD. Die Linke müsse angesichts solcher Stimmungen überlegen, was sie dagegen tun kann, von den Menschen nicht dem Block jener zugerechnet zu werden, von denen es heiße, »dass die uns alle verarschen«, so die Europawahl-Kandidatin Ines Schwerdtner.
Der Name Sahra Wagenknecht wurde so gut wie nicht erwähnt, aber natürlich schwang deren Parteigründung in der Debatte mit. »Wir geben unsere Grundüberzeugungen nicht auf; es muss ja auch jemanden geben, der das nicht tut«, sagte Janine Wissler. »Solidarität, die an den Grenzen des Nationalstaats aufhört, ist keine«, sagte Raul Zelik. »Warum soll jemand, der AfD gewählt hat, um dem System weh zu tun, jetzt eine Partei wählen, die etwas weniger weh tut?«, fragte Benjamin Hoff.
Hoff glaubt nicht, dass die Wagenknecht-Partei BSW die AfD nennenswert schwächen kann. Der Rechtsruck, auch angesichts jüngster Enthüllungen über rechtsextremistische Bestrebungen, war ein zentrales Thema beim Linke-Jahresauftakt. In Krisenzeiten, wenn die Angst wächst, erscheine vielen Rücksichtslosigkeit als legitimes Mittel, sagte Raul Zelik. Bei der Wahl in Thüringen geht es laut Hoff nicht nur darum, Rot-Rot-Grün und den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu verteidigen, sondern den Faschisten Höcke von der Macht fernzuhalten. Das kann bei entsprechenden Wahlergebnissen ganz neue Überlegungen erfordern, mit denen in der Linken offenbar schon begonnen wurde. Darüber nämlich, ob und zu welchen Bedingungen sie notfalls mit der CDU kooperieren sollte, um die AfD in Schach zu halten. »Das führt uns an eine Grenze«, so Hoff, auch in der Frage, wie in der Partei mit den entsprechenden Landesverbänden umgegangen werde. »Der Punkt kann kommen, an dem wir uns damit auseinandersetzen müssen.«
Linke und Christdemokraten in einer Notgemeinschaft gegen Faschisten? Dem Papst könnte es gefallen.
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