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Antidiskriminierungsklausel in Berlin: Verklausulierte Kunst
Die neue Antidiskriminierungsklausel in der Berliner Kunstförderung ist juristisch hoch problematisch
Wer vom Land Berlin Kulturförderung erhalten will, muss sich ab sofort gegen Antisemitismus in Form der Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA-Definition) in ihrer durch die Bundesregierung erweiterten Fassung stellen. Zuwendungsbescheide werden nur noch mit einer entsprechenden Klausel verschickt.
Bereits die Ankündigung dieser neuen »Antidiskriminierungsklausel« hat in den vergangenen Tagen für Aufmerken in deutschen Feuilletons gesorgt. Am 8. Januar bezeichnete ein Kommentar in der »Taz« die neue Klausel als »unbedingt notwendig«. Und die »Welt« verkündete geradezu euphorisch, die »zermürbende Diskussion« über Cancel Culture könne endlich auf eine »begriffliche Basis« gestellt werden.
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Das von Kultursenator Joe Chialo (CDU) proklamierte Ziel, Antisemitismus im Kulturbetrieb zu bekämpfen, wird sich indes mit einer solchen Klausel kaum erreichen lassen. Erklärungen in Zuwendungsbescheiden werden antisemitisch eingestellte Kunstschaffende nicht von ihrer Haltung abbringen. Welcher Judenhasser wird so konsequent sein, auf staatliche Kulturförderungen zu verzichten, nur weil er sich formal zum Existenzrecht Israels bekennen muss? Demgegenüber könnte die Klausel staatskritische israelische Künstler*innen von Fördergeldern ausschließen.
Viel bedeutsamer sind aber die juristischen Implikationen der neuen Regelung: Der Kultursenator beschreitet mit ihr einen gefährlichen, juristisch angreifbaren Weg. Bereits in der Vergangenheit haben Verwaltungsgerichte vergleichbare Klauseln für rechtswidrig erklärt. Für Künstler*innen und Kulturproduzent*innen eröffnet sich so ein neues Kapitel der Rechtsunsicherheit. Dem dringenden Kampf gegen Antisemitismus erweist der Kultursenator damit einen Bärendienst.
Bekenntnisklauseln sind keine neue Erscheinung. Bereits vor mehr als zehn Jahren fanden sie in Form von »Extremismusklauseln« für kurze Zeit Eingang in verschiedene Förderrichtlinien. Verwaltungsgerichte haben ihrer Verwendung enge Grenzen gesetzt. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Kulturförderung. Den rechtlichen Anforderungen wird die neue Klausel nicht gerecht.
So ließe sich mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung bereits anzweifeln, dass eine Bezugnahme auf die »IHRA-Definition in ihrer Erweiterung durch die Bundesregierung« dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügt. Das Verwaltungsgericht Dresden (Urteil vom 25.04.2012 – 1 K 1755/11) hatte in einem vergleichbaren Fall verlangt, dass Klauseln in Förderbescheiden so »vollständig, klar und unzweideutig« sein müssten, dass Antragssteller*innen ihr Verhalten danach richten könnten. Die IHRA-Definition kann diesen Anforderungen nicht genügen. Im juristischen Diskurs wird betont, dass die IHRA-Definition nicht als rechtsverbindliche Bestimmung formuliert wurde. Eine Gruppe renommierter Rechtswissenschaftler*innen stellte auf dem Verfassungsblog, einer Debattenplattform, die sich mit juristischen Fachfragen beschäftigt, klar, dass die IHRA-Definition als Instrument des Monitorings von Antisemitismus konzipiert sei: »Sie zum faktisch bindenden Text zu machen, geht gegen ihre Rechtsnatur. Sie ist viel zu unpräzise, um Rechtssicherheit zu erzeugen oder Behördenpraxis zu etablieren.«
Die Abforderung eines Bekenntnisses zur IHRA-Definition dürfte auch einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Kunstfreiheit und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) ist die Kunst frei. Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch das Verbot für den Staat, »auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken« (BVerfGE 30, 173, 190 – Mephisto). Im Umkehrschluss besteht aber auch – wie der Kultursenator richtig ausführt – »kein Grundrecht auf staatliche Fördermittel«.
Die Förderung von Kunst ist aber am Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu messen. Hiernach dürfen Künstler*innen und Kunstproduzent*innen nicht willkürlich von staatlichen Förderprogrammen ausgeschlossen werden. So stellte das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 06.04.2022 – 8 C 9.21) in einem vergleichbaren Fall klar, dass die Abforderung eines Bekenntnisses nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie einen inhaltlichen Bezug zu den Zielen des Förderprogramms aufweise.
Es ist nicht erkennbar, dass die Klausel dieser Anforderung genügt. Mit Blick auf das staatliche Einwirkungsverbot auf die künstlerische Tätigkeit erscheint dabei bemerkenswert, dass die Klausel nach heutigem Kenntnisstand nicht auf das einzelne Kunstwerk, sondern auf die politische Haltung der Antragsteller*innen abzielt.
Vor diesem Hintergrund dürfte über das Schicksal der Antidiskriminierungsklausel bald von Gerichten entschieden werden. Solange sie aber besteht, bewirkt sie aufgrund ihrer Weite und Unbestimmtheit für Kunstschaffende eine unerträgliche Rechtsunsicherheit. Ob dies dem notwendigen Kampf gegen Antisemitismus dienlich ist, darf bezweifelt werden. Der Kultursenator ist gut beraten, wenn er auf die Verwendung der Antidiskriminierungsklausel verzichtet.
Albert Roux arbeitet als Rechtsanwalt mit einem Schwerpunkt auf Kulturförderung in Berlin
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