Werbung

Bauernpräsident Rukwied gegen die »Berliner Blase«

Aktionswoche von Bauern und Spediteuren endet mit Großdemo

Es war der Höhepunkt der Protestwoche von Landwirten und Spediteuren. Eine Großkundgebung, mitten im Regierungsviertel. Schon in der Nacht zum Montag gab es Meldungen, die Straße des 17. Juni sei voll. Kein Trecker oder LKW passe mehr dorthin. Rund um das Brandenburger Tor hatten es sich die Demonstranten gemütlich gemacht. Feuerschalen, Grills, aus manchem Wagen wurden Getränke und Brötchen verkauft. Entschlossen, aber dennoch irgendwie gemütlich, so sollte die Aktionswoche ausklingen. Dass der Schluss der Aktionswoche auch der Schluss des Bauernprotests ist, ist dabei längst nicht klar. Denn die Bundesregierung hat nicht vor, den Protesten der Landwirte noch weiter entgegenzukommen. Die KFZ-Steuerbefreiung bleibt, die Steuervergünstigung beim Agrardiesel kommt stufenweise. Das soll reichen.

Die Aufgabe, den Demonstranten die Position der Bundesregierung näherzubringen, hatte bei der Kundgebung am Brandenburger Tor der FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner. Kein einfacher Job, wie Lindner spätestens, als er die Bühne betrat, gemerkt haben dürfte. Pfiffe und Buhrufe schallten dem Liberalen entgegen. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied appellierte an die Kundgebungsteilnehmer, dass man Gäste »mit Respekt« behandele. Einen Augenblick später sagte er an Lindner gerichtet, dass er »die Trecker von der Straße« bekomme, wenn er »die Steuererhöhungen zurücknimmt«.

Eine Rücknahme der Pläne gab es von Lindner nicht. »Es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben«, erklärte er. Deswegen sei die Regierung auch von ihren ursprünglichen Plänen zurückgerudert. Damit hätte man von den Landwirten zu schnell zu viel verlangt, gab sich Lindner selbstkritisch. »Ich kann Ihnen heute nicht mehr staatliche Hilfe versprechen aus dem Bundeshaushalt«, so die Absage des Finanzministers an weitere Zugeständnisse. Dabei verwies Christian Lindner auf das Haushaltsloch, die Zinslast und Ausgaben für Infrastruktur und Sicherheit, die die Bundesrepublik tätigen müsse. Man müsse gerade »neu über die Aufgaben des Staates« miteinander reden. Außerdem seien Landwirtschaft und Güterverkehr längst nicht die einzigen Branchen, in denen es Einschnitte gibt. Lindner nannte beispielhaft den Luftverkehr, wo die Ticketsteuer steigt. Der Finanzminister sprach auch über Gruppen, bei denen die Bundesregierung weitere Kürzungen plant oder schon eingeführt hat. Seine Beispiele hier: Asylsuchende und Menschen, die Bürgergeld beziehen.

Ganz FDP-Chef, wollte Christian Lindner mit den Demonstrierenden »groß denken«. Darunter versteht Lindner Bürokratieabbau und mehr unternehmerische Freiheit für die Landwirte. Er versprach, sich gegen »ideologische Bevormundung« einzusetzen. Reden müsse man über europäische Pläne zur Flächenstilllegung und die Höhe der Umweltstandards. Auch diese Ankündigungen und Versprechen sorgten nicht für eine versöhnliche Stimmung unter den Protestierenden. Die Rede des Finanzministers endete ohne Applaus.

Dass sich die Bauern nicht mit vagen Ankündigungen abspeisen lassen würden, hatte Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied deutlich gemacht. Selbstbewusst nannte er die Aktionswoche ein »Signal, wie es die Bundesrepublik seit der Wende nicht gesehen hat«. Es müsse jedem klar sein, dass es »ohne uns kein Essen gibt«, so Rukwied. Man sei immer bereit zu Kompromissen, aber was die Bundesregierung anbiete, sei »faul«. Die Bundesregierung habe es selbst in der Hand, ob der Bauernprotest weitergeht. Jetzt seien 30 000 Menschen auf der Straße, die ein »Zeichen setzen«, in Richtung der Berliner Blase. Die Polizei sprach etwa zum gleichen Zeitpunkt von 8500 Demonstranten, die allerdings noch Zulauf hätten.

Rukwied beklagte in seiner Rede auch, dass es Versuche gegeben habe, die Bauern »in die rechte Ecke« zu stellen. Diese seien aber nicht gelungen. Die Bauern seien Demokraten und stünden zum Grundgesetz. Außerdem wies Rukwied darauf hin, dass eine sichere Versorgung mit heimischen Lebensmitteln eine wichtige Grundlage für die Stabilität der Demokratie sei. Über Kundgebungen im Rahmen des Bauernprotests, die von rechten Gruppen veranstaltet wurden, sprach der Bauernverbandspräsident nicht.

Mit einem zumindest rechten Zungenschlag sprach Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr. »Unsere Mittelständler halten das nicht mehr aus«, so seine Anklage. Die deutsche Transportbranche werde nicht geschützt, die »Konkurrenz aus Polen und dem Baltikum« könne in Deutschland Aufträge erledigen, ohne gegängelt zu werden. Engelhardts Drohung: Wenn die Ampel nicht nachgibt, könne man auch ein paar Tage nichts transportieren, dann würde »blankes Chaos« herrschen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.