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»Der antirechte Kampf muss sich auch gegen Ampel-Politik richten«
Linke-Abgeordnete Clara Bünger dazu, wie linker Antifaschismus wirksam werden kann und wie sie zu einem AfD-Verbot steht
Seit der Correctiv-Enthüllung über die von AfD-Mitgliedern mit anderen Rechtsextremen geschmiedeten Deportationspläne werden Forderungen nach einem AfD-Verbot lauter. Halten Sie diese Debatte für sinnvoll?
Die Debatte wird bei uns schon länger geführt. Für mich ist sie besonders wichtig, denn ich komme aus Sachsen, wo die AfD gerade einerseits hohe Umfragewerte hat und andererseits der Landesverband als »gesichert rechtsextrem« eingestuft wurde. In meiner Jugend habe ich die Baseballschlägerjahre miterlebt, Nazis haben mir damals den Kiefer gebrochen. 20 Jahre später stehen zivilgesellschaftliche Organisationen mit dem Rücken zur Wand – insbesondere in Ostdeutschland. Inzwischen kandidieren bekannte Rechtsextreme für die AfD. Menschen in Ostdeutschland müssen also mitansehen, dass diejenigen, vor denen sie früher weggerannt sind, jetzt in die Parlamente einziehen. Deshalb sehen viele ein AfD-Verbot als einzige, ultimative Lösung. Für diese Position habe ich großes Verständnis. Wenn jetzt die Zivilgesellschaft fordert, dass ein AfD-Verbotsverfahren geprüft werden soll, ist das natürlich eine Frage, mit der wir uns als Linke auseinandersetzen müssen.
Clara Bünger ist seit 2022 Bundestagsabgeordnete. Bis zur Auflösung der Linksfraktion war sie Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik. Die Volljuristin ist im sächsischen Freiberg aufgewachsen.
Werden Sie sich als Linke-Politikerin für ein Verbot einsetzen?
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich mich nicht gegen ein Verbotsverfahren stelle. Aber ich denke, dass es insgesamt eine breiter angelegte Strategie braucht. In meiner Jugend in Ostdeutschland habe ich nicht nur Gewalt durch Faschisten erlebt. Ich habe auch mitbekommen, dass die sächsische Regierung rigoros gegen Linke und Antifaschist*innen vorgegangen ist, während rechte Straftaten nicht verfolgt wurden. Daher halte ich es mit Esther Bejarano: Wer gegen Faschismus kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.
Ein Verbot ist also keine echte Lösung?
Es muss klar sein, dass Faschismus sich nicht einfach verbieten lässt. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Verbote gegen rechtsextreme Organisationen ausgesprochen. Dennoch entstehen immer wieder neue Parteien und Vereine, wie die Freien Sachsen. Für das Erstarken rechter und faschistischer Akteure gibt es Gründe, mit denen wir uns in erster Linie politisch auseinandersetzen müssen.
Ich bin deshalb überzeugt, dass wir die Gegenwehr gegen rechts auf möglichst breite Füße stellen müssen. Außerdem müssen wir als Linke Strategien entwickeln, um Menschen, gerade im ländlichen Raum, zu unterstützen. Ein Verbotsverfahren kann dabei eines von mehreren Mitteln sein, die gegen die AfD in Stellung gebracht werden.
Die Hürden für ein Verbot sind zudem sehr hoch…
Das stimmt. Ein solcher Antrag muss entweder von der Bundesregierung, vom Bundesrat oder aus dem Bundestag kommen. Und dann entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Dabei ist die Frage entscheidend: Wollen nur einzelne Personen in der Partei die sogenannte freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen oder will es die Partei als Ganzes. Zentrale Grundprinzipien sind in diesem Zusammenhang: der Schutz der Menschenwürde, der Demokratie und des Rechtsstaates. Während einige Jurist*innen der Überzeugung sind, dass ein Verbot der AfD realistisch ist, haben andere daran Zweifel.
Dauert ein solches Verbotsverfahren nicht ohnehin zu lange?
Genau. Dieses Jahr finden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt, dazu die Europawahl. Bis dahin wird das Bundesverfassungsgericht das nicht entschieden haben. Ich möchte deshalb davor warnen zu glauben, ein Verbotsverfahren könne das »Problem AfD« kurzerhand lösen. Es könnte aber dabei helfen, die CDU unter Druck zu setzen, nicht mit der AfD zu koalieren. Das kann aber nur ein Baustein sein.
Um der AfD politisch etwas entgegenzusetzen, müssen wir uns auch über mittel- und langfristige Strategien Gedanken machen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, so breit wie möglich politische Kräfte gegen rechte Landnahme und die Pläne eines autoritären Staatsumbaus zu entwickeln. Beides wird aber auch von der Ampel und der CDU vorangetrieben, was der AfD und anderen rechten Kräften in die Hände spielt, Stichwort Asylreform auf EU-Ebene, Stichwort Abschiebegesetz, das gerade im Bundestag behandelt wird. Die AfD ist also nicht das einzige Problem, das wir haben. Die AfD macht Druck von rechts, und die Ampel setzt ihre Forderungen um.
Ist es nicht etwas verkürzt, die Politik der Ampel und rechtsextreme Forderungen in einen Topf zu werfen?
Natürlich ist das eine Zuspitzung. Was wir aber sehen, ist, dass die Ampel-Regierung und auch die CDU/CSU offenbar der Auffassung sind, man könne die AfD einhegen, indem man ihre Forderungen umsetzt, nach unten tritt und marginalisierte Gruppen weiter entrechtet. Das ist nicht nur für die Betroffenen, die unter dieser Politik am stärksten leiden, fatal. Es funktioniert auch nicht. Im Gegenteil stärkt das die AfD.
Sollen Linke gemeinsame Sache mit Ampel-Akteuren machen, um gegen rechts zu kämpfen, etwa bei Demos?
Angesichts der Gefahr, die von der AfD ausgeht, sind breite Bündnisse notwendig, und sie können auch Politiker*innen von SPD und Grünen miteinschließen. Gleichzeitig müssen wir als Linke immer wieder deutlich machen, dass die aktuelle Bundesregierung und ihre Vorgänger den Aufstieg der Rechten maßgeblich mitverursacht haben: durch jahrelange Sparpolitik, durch eine massive Umverteilung von unten nach oben, durch milliardenschwere Investitionen in Aufrüstung – statt das Geld in Gesundheit, Soziales und Bildung zu stecken. Das ist widersprüchlich, aber damit müssen wir einen Umgang finden. Es bleibt unglaubwürdig, wenn Mitglieder der Regierungsparteien sich an die Spitze von Protesten gegen die AfD-Politik stellen und es eigentlich als Bundesregierung in der Hand haben, eine andere Politik zu machen.
Wie sollte eine wirksame linke Politik gegen das Erstarken der Rechten aussehen?
Wir müssen einerseits Abwehrkämpfe gegen rechts führen und uns um den Schutz der Personen kümmern, die am stärksten von der AfD bedroht werden: Geflüchtete, queere Menschen und andere marginalisierte Gruppen. Wir müssen aber auch die richtigen Themen auf die Tagesordnung setzen und Antworten auf die Probleme der Leute geben. Bei mir im Wahlkreis gibt es zum Beispiel einen riesigen Mangel an Lehrer*innen, ständig fällt Unterricht aus. Menschen machen sich angesichts des Strukturwandels sorgen um ihre Arbeitsplätze. Und wir müssen endlich die Klimakrise angehen. Darauf brauchen wir Antworten. Das ist keine direkte Reaktion auf organisierte Nazis, aber ein langjähriger Prozess.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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