Superreiche retten die Welt

Olivier David über eine Gruppe von Millionären, die etwas gegen soziale Ungleichheit tun möchte

Das Jahr fängt ja gut an! Während sich auf der einen Seite die Ampel im, wie nd-Kollege Felix Sassmannshausen schreibt, Krieg gegen Erwerbslose befindet, CDU- und AfD-Mitglieder Hand in Hand mit Neonazis die Deportationen von Millionen Menschen planen, demonstrieren auf der anderen Seite Hunderttausende gegen rechts – Seite an Seite mit Politiker*innen von SPD, Grünen und CDU, also denjenigen, die mit ihrer Politik des Sozialabbaus für den Aufschwung der AfD wesentlich Verantwortung tragen. Wer soll da noch durchblicken? So nimmt es nicht wunder, dass sich ein linker Jubel entfachte, als die Multimillionen-Erbin Marlene Engelhorn verkündete, große Teile ihres Vermögens zu spenden. Die Gründerin einer Initiative, die eine höhere Besteuerung reicher Menschen fordert, hatte kürzlich verkündet, sie würde 25 Millionen Euro ihres Erbes durch einen zufällig ausgewählten Bürgerrat verteilen.

Wenn das nicht der erhoffte Durchbruch in stürmischen Zeiten ist. Oder etwa nicht? Ich habe – einer muss ja den Miesepeter geben – jedoch für die exakt entgegengesetzte Lesart plädiert: Das Konzept, dass Reiche sich selbst aufessen, ist in der Realität leider nicht alltagstauglich.

Olivier David

Olivier David ist Autor und Journalist. 2022 erschien sein erstes Buch »Keine Aufstiegsgeschichte«, in dem er autobiografisch den Zusammenhang von Armut und psychischen Erkrankungen reflektiert. Bevor er mit 30 den Quereinstieg in den Journalismus schaffte, arbeitete er im Supermarkt und Lager, als Kellner und Schauspieler. David studiert in Hildesheim literarisches Schreiben. Für »nd« schreibt er in der 14-täglichen Kolumne »Klassentreffen« über die untere Klasse und ihre Gegner*innen. Alle Texte auf dasnd.de/klassentreffen.

Ein paar Tage darauf inszenierte sich beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos eine Gruppe Millionär*innen mit dem Namen »Proud to pay more« (deutsch: stolz, mehr zu zahlen) als Vorkämpfer*innen gegen Ungleichheit. Ähnlich wie Engelhorn, die auch Teil der Gruppe ist, verlangt die Gruppe fairer besteuert zu werden. In ihrem offenen Brief heißt es unter anderem: »Wir würden stolz sein, mehr zu bezahlen, um extreme Ungleichheit zu bekämpfen.«

Nicht Ungleichheit ist das Problem, erst die extreme Ungleichheit wird zum Problem. Die nette Lesart des Briefes besagt, dass die hier engagierten Superreichen nicht an eine gleiche Gesellschaft glauben, und sich deshalb bloß dazu hinreißen lassen, Ungleichheiten anzugleichen, wo sie zu extrem sind. Dabei verrät allein der Name der Kampagne – »Proud to pay more« –, dass hinter dem progressiven Antlitz ein ordinärer Charity-Gedanke steht.

Wer stolz ist, seine demokratische Pflicht zu tun und proportional zu seinem Vermögen eine faire Steuerlast zu tragen, von dem müssen wir ausgehen, dass er noch auf ganz andere Sachen stolz ist: Den Müll selbst rauszubringen, ein Mal die Woche auf den Privatjet zu verzichten (Klima: soooo wichtig!) oder nicht gewalttätig in seiner Beziehung zu sein. Wer sich nicht an diese Regeln hält, wird zum Privilegien-Check verdonnert!

Auch wer den Sarkasmus beiseite lässt, kann zu folgender Feststellung gelangen: Es findet eine Verschiebung statt, weg von der Normalität der Idee, dass Menschen sich ihrem Status entsprechend einbringen, hin zur freiwillig und stolz bekundeten Leistung: Guck mal, ich zahle einen gerechten Teil Steuern. Toll, oder?

Was im Fall der Davos-Gruppe gilt, gilt auch bei ähnlichen Projekten wie dem »Climate Emergency Fund«, wo sich Reiche aus dem Silicon Valley für Klimaschutz einsetzen: Bündnisse zwischen Reichen und Linken laufen zwangsläufig auf eine Kontinuität der Herrschaft des Kapitals hinaus. So wenig wie die Silicon-Valley-Juppies sich für eine Überwindung der Bedingungen ihres Reichtums engagieren, so werden sich die stolzen Superreichen von Davos für eine Welt einsetzen, in denen ihre pure Existenz verhindert wird.

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