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Bundeshaushalt: Kaum Widerspruch gegen Aufrüstung
Der Bundestag beschloss am Mittwoch 52 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt und weitere Ausgabenerhöhungen für militärische Zwecke
Boris Pistorius (SPD) ist jetzt ein gutes Jahr im Amt. Bei Umfragen schwebt er weit oben, er ist der Macher der »Zeitenwende«, bringt den vom Kanzler verfügten »Wumms« in die Truppe. Am Mittwoch legte er in der parlamentarischen Haushaltsdebatte Grundlagen dafür, dass er sein Amt weitere eineinhalb Jahre ausüben kann. So lange dauert die rot-grün-gelbe Legislaturperiode noch, wenn alles gut geht.
Im Gegensatz zu allen anderen Etats weist der Einzelplan 14 für die Bundeswehr ein Plus gegenüber 2023 auf. Die Streitkräfte können 1,7 Milliarden Euro mehr aus dem Steuersack schaufeln und insgesamt 51,95 Milliarden Euro. Gegenüber der Planung des Kabinetts bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages sogar noch einmal 152 Millionen Euro zusätzlich.
Insgesamt sollte Pistorius also zufrieden sein – auch, weil Deutschland erstmals die Nato-Vorgabe, laut der zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben sind, einhalten wird. Dies, und darauf reitet insbesondere die Unionsfraktion herum, gelingt freilich nur, weil man auf die Mittel des 100-Milliarden-Sondervermögens für die Bundeswehr zurückgreifen kann. Das sind 2024 rund 19,2 Milliarden Euro. Damit sind dann weit über 60 Milliarden Euro, also zwei Drittel des Sondervermögens vertraglich gebunden.
Jüngst forderte der Minister an der Hamburger Bundeswehruniversität, dass Deutschland weit mehr Geld für Verteidigung aufbringen müsse. Was »im Zweifel« weniger Geld für andere Politikfelder bedeute. Kürzen also für Soziales, für Rentner, für Bildung, den Klimaschutz und so dringend auszubauende Demokratieprojekte. Die Verteidigungsfähigkeit des Landes und des Bündnisgebietes habe für die Regierung oberste Priorität, so Pistorius.
Der russische Krieg gegen die Ukraine bot der deutschen Regierung eine Steilvorlage für die größte Erhöhung der Militärausgaben in der bundesdeutschen Geschichte. Der Trend hält seit Kriegsbeginn vor zwei Jahren an und wird sich fortsetzen. Experten liefern Argumente: Die Bundeswehr sei »blank«, nicht bereit zur Abschreckung, sagen sie. Überdies habe man Depots und Fahrzeughallen leeren müssen, um aus dem Stand heraus die Fähigkeiten der ukrainischen Armee zu verbessern. Nun gelte es, die eigenen Bestände aufzufüllen und wegen der laufenden militärischen Konflikte und anderer »Herausforderungen« zu vergrößern.
Noch wichtiger als der aktuelle Einzelplan 14 ist daher die sogenannte mittelfristige Finanzplanung. So die Industrie liefern kann, bezahlt man derzeit viele Rüstungsprojekte aus dem 100-Milliarden-Sondertopf. Der aber wird in vier Jahren aufgebraucht sein. Danach wird ein Haushaltsloch von rund 56 Milliarden Euro für die Bundeswehr erwartet. Das geht aus einer internen Finanzbedarfsanalyse des Verteidigungsministeriums hervor, über die der »Spiegel« berichtet. Nach den Berechnungen der Planer benötigt das Militär 2028 rund 97 Milliarden Euro, um etwa Betriebsausgaben, Instandhaltung und Neuanschaffungen bezahlen zu können.
Ein weiteres Argument, das die Befürworter von mehr militärischer Abschreckung ins Feld führen: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Donald Trump im November erneut US-Präsident wird. Der hatte Deutschland bereits während seiner ersten Präsidentschaft mehrfach mit dem Entzug militärischer Unterstützung gedroht. Auch auf EU-Ebene wird betont, man müsse sich von den Vereinigten Staaten durch eigene Aufrüstung militärisch unabhängig machen.
Pistorius erklärte derweil wiederholt, man müsse sich an den Gedanken gewöhnen, »dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte«. Deshalb müsse Deutschland »kriegstüchtig werden, wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen«. Genau darauf wollen Pistorius und die Ampel-Regierung die gesamte Gesellschaft einschwören.
Vor wenigen Tagen erst richtete das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr ein Symposium aus. Motto: »Deutschland.Gemeinsam.Verteidigen«. Vorgestellt wurden Grundzüge eines »Operationsplans Deutschland« für den Schutz der Bevölkerung und die Verteidigung der Infrastruktur sowie Nato-Truppenaufmärsche der Nato. Das weitgehend geheime Dokument soll helfen, Streitkräfte, Sicherheitsbehörden, Katastrophenschutz und Industrie besser zu vernetzen. Denn: Im Spannungs- und Verteidigungsfall sind die Streitkräfte auf die Unterstützung der sogenannten Blaulichtorganisationen angewiesen. Wer die Gesamtsumme errechnen will, die für Verteidigung ausgegeben wird, muss also auch in die Etats für Bundes- und Landespolizeien, Feuerwehren, Technischem Hilfswerks und Rettungsdiensten schauen.
Dazu kommt noch die »robuste Hilfe« für die Ukraine, wie ein Grünen-Abgeordneter in der Debatte es nannte. Das Geld dafür kommt aus dem Einzelplan 60, den das Verteidigungsministerium und das Auswärtigen Amt verwalten. Die Mittel dafür sollen um vier auf acht Milliarden Euro aufgestockt werden.
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