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Linke helfen der Polizei in Halle
Behörden profitieren von politischem Konflikt unter Studierenden
Viele Aktivist*innen in Halle (Saale) sind derzeit verunsichert. Am Montagabend wurde bekannt, dass mindestens neun Linke mehrmals über andere Linke in der Stadt bei der Polizei ausgesagt haben. Als Zeugen sollen sie den Ermittlungsbehörden unter anderem Namen, Adressen und private Informationen von Personen aus der linken Szene genannt und diese politischen Gruppen zugeordnet haben. So steht es in einem Text, den das »Anti-Repressions-Bündnis Halle« auf der Internetplattform Indymedia veröffentlicht hat. Darin werden die Personen als »Polizeispitzel« bezeichnet und – teils mit Geburtsdaten – namentlich genannt.
Das Bündnis stützt sich dabei offenbar auf polizeiliche Ermittlungsakten. Zu den Gründen der Veröffentlichung heißt es auf Indymedia, die Menschen, von denen die Aussagen stammten, seien aktive oder ehemalige Mitglieder im Studierendenrat (StuRa) der Martin-Luther-Universität in Halle, einige von ihnen seien nun Stadtratskandidat*innen der Linkspartei und der SPD.
Das »nd« konnte mit einer Person sprechen, die Inhalte der fraglichen Ermittlungsakten kennt und die Informationen im Indymedia-Artikel bestätigt. Die Vernehmungen sollen demnach zwischen August und November 2022 erfolgt sein. Den Zeug*innen seien Videos und Fotos für die Identifizierung vorgelegt worden, zum Teil hätten sie diese auch selbst mitgebracht. Eine Person soll den Ermittler*innen zudem Zugang zu einer Foto-Cloud der Universität verschafft haben.
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»Das zerstört jedes Vertrauensverhältnis. Denn alle fragen sich: Wurde den Behörden auch was über mich erzählt?«, sagt auch Valentin Hacken, der als freier Journalist aus Halle vor allem über die extreme Rechte berichtet und lange Jahre Sprecher eines lokalen Bündnisses gegen rechts war. Der StuRa habe Zugriff auf erhebliche Datenmengen von Studierenden, die sich etwa in Arbeitskreisen engagieren. »Viele linke und antifaschistische Projekte müssen sich nun fragen, ob persönliche Daten ihrer Mitglieder gegenüber der Polizei offengelegt wurden«, sagt Hacken. Informationen, die mit der Polizei geteilt würden, könnten überdies beim Inlandsgeheimdienst, bei rechten Netzwerken, in Behörden oder bei der extremen Rechten landen.
Gegenüber dem »nd« entgegnet der StuRa, zu keinem Zeitpunkt Daten von Studierenden weitergegeben zu haben. Zu den Aussagen bei der Polizei will man sich aber mit Blick auf ein laufendes Ermittlungsverfahren nicht äußern. Der StuRa kritisiert indes, dass im Artikel auf Indymedia »personenbezogene Daten veröffentlicht, Falschinformationen verbreitet werden und dass es zu Deadnaming kommt«.
Hintergrund der polizeilichen Ermittlung ist offenbar eine längere Auseinandersetzung zwischen dem StuRA und dessen mittlerweile aufgelösten »Arbeitskreis Antifaschismus« (AK Antifa; besser bekannt als »AG Antifa«). Dieser steht schon länger in der Kritik; weil er etwa transfeindliche und rassistische Veranstaltungen organisiert hatte, wollte der StuRa den AK 2022 auflösen.
Aus Protest blockierten im Juli 2022 Mitglieder des AK und Unterstützer*innen deshalb eine Sitzung des StuRa. Zwei von dessen Mitgliedern erstatteten daraufhin Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, die Polizei nahm Ermittlungen auf. Eine Woche nach der Blockade sollte dann auf einer StuRa-Sitzung die Auflösung des »AK Antifa« beschlossen werden. Unbekannte hatten während der Sitzung einen Stein durch das Fenster in den Raum geworfen, verletzt wurde dabei niemand.
»Ich hatte Todesangst in dem Moment«, sagt Jan Niklas Reiche, Vorsitzender und Sprecher des StuRa sowie SPD-Stadtratskandidat. Für ihn hat der Steinwurf den Ausschlag gegeben, bei der Polizei auszusagen. Diese Aussagen müssten im Kontext betrachtet werden, meint Reiche. In Reaktion auf den Auflösungsantrag gegen den »AK Antifa« seien StuRa-Mitglieder monatelang online Diffamierungen und Morddrohungen ausgesetzt gewesen. »Wenn Teile der linken Szene mich nicht mehr schützen, sondern angreifen, wo soll ich dann hin?«, fragt Reiche.
Um den Steinwurf soll es in den Akten, auf denen die Veröffentlichung auf Indymedia basiert, allerdings nicht gehen. Der ist Teil eines anderen noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens, bestätigt die Staatsanwaltschaft Halle.
Bei den Vernehmungen, auf die sich das »Anti-Repressions-Bündnis« bezieht, sollen die Befragten auch von sich aus Angaben über Personen aus der linken Szene gemacht haben – nicht nur zu politischen Aktivitäten, sondern auch zu deren persönlichem und beruflichem Umfeld. Betroffen sind offenbar auch Menschen, die nicht Teil der AG Antifa oder ihrer Unterstützer*innen sind, oder – wie in einem Fall – am Tag der Blockade nicht in Halle waren.
Da unter den Personen, die ausgesagt haben, vier Stadtratskandidat*innen der Linkspartei sind, sieht der Journalist Valentin Hacken auch die Partei in der Pflicht, die Vorwürfe aufzuarbeiten. »Die Linke beschreibt sich als antifaschistische Partei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Einklang damit zu bringen ist, zu tun, wofür Polizei und Inlandsgeheimdienste sonst erst mühsam Leute anwerben müssen.« Das, sagt Hacken, stehe zumindest im Raum. Der Stadtvorstand der Linken möchte sich dazu noch nicht äußern, teilt aber mit, man nehme die Vorwürfe ernst und werde sie am Freitag besprechen.
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