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Landwirte in Portugal stellen sich quer
In Portugal fordern Bauern mit Straßenblockaden mehr Hilfen für die Landwirtschaft
Weil sie sich von der Regierung in Lissabon im Stich gelassen fühlen, haben Gruppen von Landwirten an Orten in ganz Portugal mit Kundgebungen und Straßenblockaden begonnen. Nach dem Vorbild der aktuellen Bauernproteste in weiteren europäischen Ländern fordern sie eine Aufwertung des Agrarsektors durch die Politik und bessere Konditionen für ihre Arbeit.
Seit dem frühen Donnerstagmorgen blockierten Bauern bei Elvas, nahe der Grenze, mit Traktoren und Autos die A6. Die Autobahn verbindet den Großraum Lissabon mit dem spanischen Bajadoz. Bei Mogadouro, ganz im Nordosten, bremsten sie mit ihrer Kolonne landwirtschaftlicher Fahrzeuge in Schleichfahrt den Verkehr auf der Überlandstraße IC5 aus. Auch im Zentrum und im Süden des Landes fanden Blockadeaktionen statt.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Dahinter steht die überparteiliche Initiative Movimento Civil de Agricultores (Bürgerbewegung der Landwirte). In ihrem Aufruf unter dem Motto »Unser Ende heißt Hunger für euch« erklärt sie, dass Portugals Landwirte »vereint und bereit« seien, sich »gegen den permanenten Angriff auf die Nachhaltigkeit, die Ernährungssouveränität und das ländliche Leben zu wehren«. Gefordert werden unter anderem die Wiedereinführung von Beihilfen, die Anpassung ökologischer Vorschriften an örtliche Bedingungen und die Überarbeitung des Strategischen Plans für die Gemeisame Agrarpolitik, mit dem in Portugal bis 2027 Ziele der EU-Agrarpolitik umgesetzt werden sollen.
Ein am Tag zuvor von der Regierung unter dem Sozialisten António Costa angekündigtes Hilfsprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro sehen die Vertreter der Bauern als völlig unzureichend an. Das Geld soll für die Strukturentwicklung und für Hilfen zugunsten von den Folgen der schweren Dürre betroffener Unternehmen eingesetzt werden. Der Rückgang des Niederschlags besonders im Süden der iberischen Halbinsel seit bereits einem Jahrzehnt hat zu einem dramatischen Wassermangel geführt; der Verbrauch der Landwirtschaft wurde rationiert. Aktuell leidet die portugiesische Region Algarve unter einer Rekordtrockenheit. Die sechs Stauseen dort sind gerade noch zu einem Viertel gefüllt.
Die Anliegen der Demonstranten werden auch von großen Organisationen im Agrarsektor geteilt. Der von Familienbetrieben getragene Bauernverband CNA hat eigene regionale Aktionen angekündigt. Die Proteste in Europa hätten trotz unterschiedlicher Kontexte einen Punkt gemeinsam: »das Einkommen der Landwirte, das Geld, das den Bauern nach der Ernte zum Überleben bleibt«. Überall sei trotz Beihilfen »die finanzielle Erdrosselung der großen Mehrheit der Landwirte, vor allem der kleinen und mittleren« die Realität, heißt es in eine Erklärung. Verschärft werde die Lage durch die »Diktatur der von den Regierungen unterstützten Großabnehmer«.
Der Unternehmerverband CAP hingegen – nach der Nelkenrevolution 1974 ein Vorkämpfer gegen Kollektivierung und Agrarreform – verhält sich den spontanen Protesten gegenüber reserviert. Zwar habe man dafür Verständnis, setzte aber ganz auf Verhandlungen und werde »weder Aktionen organisieren noch daran teilnehmen, die das normale und geregelte Funktionieren des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen und die freie Zirkulation landwirtschaftlicher Güter behindern«.
Die sozialen und ökonomischen Forderungen gehen bei vielen Bauern mit einer Krise des Vertrauens in die etablierte Politik einher. Wie der Agrarsektor sei auch die Gesellschaft aus den Fugen, sagte ein Demonstrant dem Sender SIC: »Diejenigen, die an der Macht sind, dienen nicht den Menschen, sondern großen Wirtschaftsgruppen.«
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