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- »Startchancen-Programm«
Flickschusterei bei der Bildung
Jana Frielinghaus über das neue Programm für Schulen in schwierigen sozialen Lagen
Im deutschen Schulsystem steckt der Karren so tief im Dreck, dass es einer nationalen Kraftanstrengung bedürfte, um ihn da herauszubekommen. Allein die Beseitigung des Sanierungsstaus bei Schulen würde mehr als 45 Milliarden Euro kosten. Das Startchancen-Programm, auf das sich Bund und Länder nun endlich geeinigt haben, umfasst gerade mal zwei Milliarden Euro jährlich. Und für bauliche Maßnahmen stehen die Mittel nicht zur Verfügung.
Das Programm kann also höchstens ein Beitrag zur Behebung der Probleme der Chancenungerechtigkeit sein. Dazu kommt: Die im Programm vorgesehene direkte Förderung von Kindern im Rechnen, Schreiben, Lesen wird mit dem vorhandenen Personal kaum umgesetzt werden können. Denn es fehlen Zehntausende Lehrkräfte. Nötig wäre die Schaffung des von einem Bündnis von 170 Organisationen im Juni 2023 geforderten 100-Milliarden-Sondervermögens für die Bildung inklusive Ausbildungsoffensive. All das hat der Bundestag jedoch im September abgelehnt.
Kontext: Rund 4000 Schulen in schwierigen sozialen Lagen bekommen in den nächsten zehn Jahren eine besondere staatliche Förderung. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich der Bund und die Länder am Freitag auf das milliardenschwere sogenannte Startchancen-Programm. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte es »das größte und langfristigste Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik«. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot (SPD), sagte, es könnte dazu beitragen, den bislang engen Zusammenhang zwischen Herkunft und dem Bildungserfolg aufzubrechen. Der Bund gibt im Rahmen des Programms jährlich eine Milliarde Euro für die Verbesserung von Unterricht und Ausstattung der Schulen. Die Länder sollen die Maßnahmen zur Hälfte finanzieren, so dass insgesamt pro Jahr bis zu zwei Milliarden Euro bereitstehen. Profitieren sollen etwa eine Million der knapp elf Millionen Schüler. Ausgewählt werden sollen die Einrichtungen von den Ländern. Kritik kam unter anderem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die bereitgestellten Mittel seien nicht ausreichend, erklärte GEW-Chefin Maike Finnern. Es erreiche nur rund zehn Prozent der Schüler, dabei seien gut 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen arm oder armutsgefährdet. dpa/nd
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