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Synchronsprecher in Japan: Die Stars der Stimme
In Japan ist Anime Mainstream. Durch die riesige Industrie werden nicht nur die gezeichneten Figuren zu Stars
Hiromu Mineta passiert es immer mal wieder, dass er von fremden Leuten an der Supermarktkasse angesprochen wird. »Sind Sie nicht Yaguchi aus ›Blue Period‹?«, heißt es dann. Hiromu Mineta fühlt sich ertappt, muss nicken. Zwar hat dieser Yatora Yaguchi blondes Strubbelhaar, er selbst dagegen hat einen schwarzen Mittelscheitel. Aber Hiromu Mineta wird auch nicht seines Aussehens wegen als dieser Held des beliebten Anime erkannt – sondern weil er mit dem Kassierer ein paar Worte gewechselt hat. Denn Hiromu Minetas Stimme ist identisch mit jener der Animefigur Yatora Yaguchi.
Hiromu Mineta arbeitet als »Seiyuu«, auf Deutsch: Stimmenschauspieler. Sein Job ist es, fiktiven Personen aus populären Mangas eine Stimme zu schenken, damit diese als Zeichentrick animiert werden können. In seinem Heimatland Japan macht den 28-jährigen diese Tätigkeit regelmäßig in unverhofften Situationen zu einem höchst begehrten Typen. »Manchmal erzählen mir Leute, dass sie mir dankbar dafür sind, wie ich ihre Lieblingsperson vertont habe.« Oft muss Mineta auch Autogramme geben – aber erst, wenn jemand seine aufgeweckte Stimme erkannt hat.
In westlichen Ländern würde es wohl nur sehr selten vorkommen, dass Personen, die ausschließlich mit ihrer Stimme arbeiten, eben durch diesen Klang auf der Straße erkannt werden. In Japan aber wird ein Seiyuu nicht selten zu einem Star. Anime und Manga – also Zeichentrick und Comics – haben hier ein Millionenpublikum, das alle Schichten und Altersgruppen umfasst. Allein mit Animationen werden pro Jahr umgerechnet an die 30 Milliarden Euro umgesetzt, wobei meist nur die erfolgreichsten Mangas als Anime vertont werden. Der Markt für Mangas ist daher ebenfalls riesig.
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Der Ruhm, den ein Seiyuu erreichen kann, ist beträchtlich. Er tritt in großen TV-Shows auf, wird in Magazinen porträtiert und im Vor- und Abspann eines Films auch prominenter genannt, als es in westlichen Zeichentrickproduktionen der Fall ist. Liebhaberinnen der Kultur sind oft nur Fans eines Seiyuu – gehen dann weniger wegen des Themas eines neuen Films ins Kino, sondern weil diese Stimme zu hören sein wird. Das internationale Popkulturmagazin »Boingboing« resümiert: »Japanische Stimmenschauspieler erfahren eine Wertschätzung, für die westliche Kollegen töten würden.«
Hiromu Mineta gehört noch nicht zu den bekanntesten Vertretern seiner Zunft, hat in seiner Karriere aber schon an die 100 Charaktere vertont. So wird er wegen seiner Stimme trotzdem öfter erkannt. Auf diese Weise gefällt ihm sein Ruhm. Wenn er unerkannt bleiben wolle, verstelle er seine Stimme oder lasse den Mund einfach geschlossen. Ansonsten liebe er diese Mischung aus Macht und Verantwortung. »Yatora Yaguchi in ›Blue Period‹ zum Beispiel erhält seinen auditiven Charakter ja erst durch mich. Fans des Mangas haben nach dem Lesen auch oft genaue Vorstellungen.«
Yatora Yaguchi etwa sei ein komplexer Charakter, findet Mineta, der die Vertonung 2021 machte und damit seinen Durchbruch schaffte. »Blue Period«, eine Coming-of-Age-Geschichte über einen talentierten und kunstinteressierten Schüler, gewann in Japan Branchenpreise. »Yaguchi eine Stimme zu geben, war nicht leicht«, erinnert sich Mineta in einem Besprechungszimmer seiner Agentur Stardust in Tokio: »Yaguchi ist in der Schule ein cooler Typ, aber auch sensibel und oft unsicher.« Mineta versuchte, das Orientierungslos-Pubertäre in der Stimme hervorzuheben.
Wenn Hiromu Mineta von seinen Jobs erzählt, wird er durchweg von seiner Managerin Riho Haraguchi beobachtet. Bei Stardust, in Japan eine von vielen Agenturen für diverse Showtalente, verantwortet sie die Geschicke von 50 Darstellenden. »Anime gehört zu den wichtigsten Bereichen, in denen wir arbeiten. Aber das größte Wachstum hatten wir über die letzten Jahre in der Produktion von Videospielen für Konsolen und Apps.« Für die Zukunft erwartet man bei Stardust hier die stärkste Nachfrage – auch weil aus Anime immer öfter Videospiele werden.
Der Weg zum Seiyuu ist lang, die Konkurrenz hart. Während in westlichen Ländern Synchronisation oft von Schauspieler*innen erledigt wird, ist es in Japan eine Sache für Spezialist*innen. Hiromu Mineta etwa hat nie eine Schauspielschule besucht, dafür eine Fachschule für Stimmbildung, Sprechfluss und Empathie. Danach werden die Ausgebildeten in Kategorien eingeteilt: Mineta, mit seiner eher hohen, einfühlsamen Stimme, spricht meist für junge Charaktere, die freundlich und lässig wirken. So auch im Anime »Futsal Boys!!!«, wo Mineta einen Jungen spielt, der ein großer Futsaler werden will.
Sein Berufstraum aber ist einer, der in der Welt der Seiyuu eher untypisch ist. »Wenn aus den Animes, bei denen ich an der Vertonung mitgearbeitet habe, Spielfilme werden, würde ich dieselben Rollen gerne auch als Schauspieler übernehmen.« Sein Argument: »Die Fans wären sonst vielleicht enttäuscht, wenn mit einem anderen Schauspieler dann auch eine andere Stimme käme.« Minetas Managerin Riho Haraguchi ist noch skeptisch gegenüber der Idee. Der Weg vom Seiyuu» zum Schauspieler ist bis jetzt noch nicht oft beschritten worden.
Ein anderes Vorhaben von Hiromu Mineta entspricht schon eher der typischen Karriereplanung. «Wenn ich älter werde, will ich diese Charaktere spielen, die Whisky trinken und eine rauchige Stimme haben. Die finde ich persönlich am coolsten.» Deswegen plane er, sobald er 30 wird, mit dem Rauchen und Trinken anzufangen. Vorher will seine Agentur dies allerdings vermeiden. Denn wenn Mineta allzu früh die Jugendlichkeit in seiner Stimme verliert, könnte es mit neuen Aufträgen schwierig werden.
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