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Dragoner Areal: Sozial nur unter Finanzierungsvorbehalt
Unsichere Perspektive für die soziale Entwicklung des Dragonerareals
Berlintypische Verzögerung: Die Planreife für das Kreuzberger Dragonerareal könnte 2025 erreicht sein. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die »nd« exklusiv vorliegt. Zuletzt hieß es noch, dass das im Herbst dieses Jahres der Fall sein wird. Der Kampf um die soziale Entwicklung des rund 4,7 Hektar großen Grundstücks begann bereits vor zehn Jahren. Die ersten Kräne dürften sich aber voraussichtlich erst 2026 drehen.
Die Verzögerungen sind nichts Neues. Im April 2019 hatte die Geschäftsführerin der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement, Birgit Möhring, noch die Erwartung geäußert, bereits im Sommer 2021 bauen zu können. Doch das war reines Wunschdenken. In einem modellhaften Kooperationsverfahren mit der Zivilgesellschaft wurden viele Aspekte des Projekts breit diskutiert, was mehr Zeit kostete. Das übliche Problem, dass mangels ausreichend eigenem Fachpersonal auf Bezirks- und Landesebene viele Untersuchungen noch ausgeschrieben werden mussten, tat sein Übriges.
Der langwierige Prozess ist eine Sache. Eine andere die soziale Komponente des Modellprojekts Rathausblock, so der offizielle Name. Diese bereitet Katalin Gennburg ernsthafte Sorgen. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hatte sich in der parlamentarischen Anfrage an die Senatsbauverwaltung auch danach erkundigt. Die Initiative »Stadt von unten« war vor einem Jahrzehnt mit der Forderung nach dauerhaft 100 Prozent bezahlbarem Wohnraum in den Kampf gegen die Privatisierung des einstigen Bundesgrundstücks gegangen, die Berliner Linke hatte sich die Forderung zu eigen gemacht.
Die Bauverwaltung bestätigt in ihrer Antwort, dass der Ansatz dauerhafter Bindungen »modellhaft für einzelne Vorhaben im Rathausblock entwickelt beziehungsweise getestet werden« soll. Jedoch heißt es auch: »Die Regelungen zur Mietpreis- und Belegungsbindung sind nicht im Erbbaurechtsvertrag für das Baufeld Süd enthalten.« Sozialbindungen für Wohnungen über eine Vertragslaufzeit von 30 Jahren hinaus können aktuell nur über den Umweg von Erbbaurechtsverträgen beschlossen werden. Aber für das Baufeld im Westen sowie das in der Mitte geplante 14-stöckige Wohnhochhaus sind noch keine solchen Verträge geschlossen worden.
»Als Linke haben wir in der Senatsbauverwaltung darauf gedrungen, dass Berlin durch entsprechende Erbbaurechtsverträge für Landesgrundstücke vorschreibt, dass dort 100 Prozent bezahlbar gebaut wird«, sagt Katalin Gennburg zu »nd«. In Zeiten, in denen Sozialwohnungen tausendfach aus der Bindung fallen und Mieten explodieren, sei es Verpflichtung eines jeden Senats, Landesgrundstücke für die dauerhafte Sicherung von günstigen Mieten zu nutzen. »Wir bestehen darauf, dass der Senat das zum Wohle der Stadt umsetzt«, so Gennburg weiter.
»Zusätzliche Verpflichtungen über die nach Wohnraumfördergesetz geregelten Mietpreis- und Belegungsbindungen hinaus sind noch zu treffen«, heißt es vage vom Senat. Was nach dem Auslaufen der regulären sozialen Wohnungsbauförderung passiert, ist also völlig unklar.
Offen ist auch, ob die weiteren Baufelder überhaupt per Erbbaurecht vergeben werden, oder ob die Grundstücke in die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) eingebracht werden. Es ist kein Geheimnis, dass die WBM für letzteres wirbt und es auch in der zuständigen Finanzverwaltung Sympathien dafür gibt.
In Frage steht auch, ob es 100 Prozent Sozialwohnungen geben wird. 2022 nannte die damalige WBM-Geschäftsführerin Christian Geib »eine Förderquote von 80 Prozent angemessen«. Auch der damalige Bau-Staatssekretär und heutige Senator Christian Gabler (SPD) sagte, 100 Prozent Sozialwohnungen seien »aus verschiedenen Gründen nicht ideal«.
»Ich sage sehr deutlich in Richtung SPD und Bausenator: Als Linke fordern wir im Innenstadtbereich generell 100 Prozent Sozialwohnungsneubau und zwar dauerhaft gesichert auf Landesgrundstücken«, unterstreicht Katalin Gennburg. Es sei nicht hinnehmbar, dass »ein SPD-Bausenator auf diesem Grundstück, welches von Initiativen für eine soziale Stadtpolitik erkämpft wurde, lieber Luxusbuden für Gentrifizierer in Kreuzberg bauen lassen will«.
Nach wie vor keine Finanzierung gibt es für den geplanten Neubau eines Gewerbehof-Riegels. Katalin Gennburg nennt es »komplett inakzeptabel«, dass dieses »Herzstück« des Dragonerareals nicht abgesichert ist. »Die Stadt braucht nicht nur Wohnen, sondern Produktionsstätten und leistbare Gewerberäume«, sagt sie. Angesichts der großflächigen »Zerstörung bezahlbaren Gewerbebestands durch Immobiliengeier« gerade in Kreuzberg gehe es »auch um eine Wiedergutmachung«. Der Gewerbehof war in der Planung auch als Lärmschutz für den Wohnungsbau vorgesehen. Dieser müsste neu geplant werden, damit beispielsweise der Club »Gretchen« nicht bedroht ist. Betreiberin Pamela Schobeß musste vor vielen Jahren aus diesem Grund ihren einstigen Club »Icon« in Prenzlauer Berg dichtmachen.
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