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Mindestlohnbetrug nimmt zu
Mehr Ermittlungsverfahren bei weniger Kontrollen: Mindestlohn wird von zahlreichen Unternehmen unterlaufen, unter anderem in der Gastronomie
Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz ist im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundesfinanzministeriums gestiegen. Dabei wurden erheblich weniger Firmen überprüft als im Vorjahr. 2023 habe die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls 7249 Ermittlungsverfahren wegen Mindestlohnverstößen eingeleitet, heißt es in einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Linke-Bundestagsabgeordneten Victor Perli, die der dpa am Dienstag vorlag. 2022 zählte die Behörde noch 5898 Verfahren.
Demzufolge dürfte auch die Dunkelziffer noch höher geworden sein. Perli ist Initiator des Portals www.mindestlohnbetrug.de, auf dem Menschen Fälle melden können. Gängige Tricks sind unrealistisch hohe Leistungsvorgaben pro Arbeitstag, Abzüge wegen angeblich schlechter Arbeit oder Abzüge für bereitgestellte Geräte, Arbeitskleidung oder Mahlzeiten. All das ist laut Mindestlohngesetz nicht zulässig.
Nach der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro zum 1. Oktober 2022 sei die Zahl der Meldungen auf dem Portal deutlich angestiegen, so Perli. Es brauche unter anderem strengere Regeln bei der Arbeitszeiterfassung, um Betrug leichter nachweisen zu können, und mehr Kontrollen. Seit Jahresbeginn beträgt der Mindestlohn 12,41 Euro brutto je Stunde.
Der Zoll überprüfte nach Angaben des Ministeriums im vergangenen Jahr 42 631 Betriebe. 2022 hatte es noch 53 182 Prüfungen gegeben. Die meisten Kontrollen gab es demnach im Baugewerbe, in Gaststätten und Hotels sowie in der Speditions- und Transportbranche. Den Zahlen zufolge führte 2022 noch gut jede zehnte Kontrolle zu einem Ermittlungsverfahren, im vergangenen Jahr dagegen bereits jede sechste.
Die Gewerkschaften fordern seit Jahren eine bessere personelle Ausstattung der FKS, um eine ausreichende Zahl an Überprüfungen zu gewährleisten. Die derzeit ermittelten Betrugsfälle sind einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für den Deutschen Gewerkschaftsbund zufolge nicht einmal die Spitze des Eisbergs. Das DIW geht von 2,4 Millionen Beschäftigen aus, die weniger bekommen als den gesetzlichen Mindestlohn.
Die auch für die Landwirtschaft zuständige IG BAU hatte im vergangenen Jahr gefordert, die Zahl der Beamten der FKS auf mindestens 16 000 zu verdoppeln. Derzeit hat die Behörde eine Sollgröße von 8600 Stellen, von denen aber viele unbesetzt sind. Die Ampel-Koalition plant, das Personal bis zum Jahr 2029 auf 14 000 Stellen aufzustocken. mit dpa
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